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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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sich in den Rändern der eingelassenen Mondsichel. Nun öffnete Inthara die Kassette.
    Der Inhalt war auf den ersten Blick ernüchternd: unscheinbare Brocken, schwarz und brüchig wie Kohle. In der Dunkelheit war nicht zu erkennen, ob sie aus Metall oder Holz bestanden. Doch Ejo spürte, welche Kraft von ihnen ausging. Sein Kopf dröhnte; er fühlte das Blut in seiner Stirn pochen.
    »Reißt Euch zusammen.« Inthara nahm die Stücke aus dem Kästchen, umschloß sie mit der linken Hand. Ihre Gesichtszüge verkrampften sich unter Schmerzen, und das Kästchen entglitt ihren Fingern. »Es … wird sie vertreiben … uns kann nichts geschehen …«
    »Glams Geschenk«, preßte Ejo hervor. Er wagte nicht, sich umzusehen. Erst als das Rasseln verklungen war, drehte er sich wieder um.
    Die Schatten waren spurlos verschwunden. Die Wände, der Boden - alles war wieder zur Ruhe gekommen. Doch die verschobenen Mauern und die aufgerissene Decke bewiesen, daß der Angriff der Schatten keine Einbildung gewesen war. Auch die leblosen Körper der Gardisten zeugten von dem schrecklichen Geschehen: einige der Leichen waren zwischen den Bodenplatten eingeklemmt, andere besaßen blutende leere Augenhöhlen, ihre Gesichter von einer unnatürlichen Fröhlichkeit verzerrt …
    »Was, bei allen Göttern, ist hier geschehen?« Ejos Stimme klang schrill.
    Die Königin gab keine Antwort; es kostete sie große Kraft, Glams Geschenk festzuhalten. Die Anub-Ejan stützten sie und halfen ihr, sich gegen die Wand zu lehnen. »Dies ist … nur der Anfang. Das Verlies sammelt seine Kräfte. Die nächsten Nächte werden mörderisch sein.« Sie öffnete die Hand und betrachtete den porösen Stoff. »Ich bin ebenso ratlos wie Ihr, Ejo. Wenn nur Sai'Kanee endlich zurückkehren würde … sie könnte uns verraten, wohin dies führen soll.«
    »Da irrt Ihr Euch«, ließ sich eine rauchige Stimme vom Eingang her vernehmen. »Niemand kennt eine Lösung für dieses Rätsel!«
    Die Arphater blickten zur zerborstenen Tür. Dort stand Sinustre Cascodi, in der Hand eine Kerze. Auf ihren Lippen lag ein überhebliches Lächeln. »Die Zukunft von Vara ist noch ungeschrieben; sie liegt in der Hand des letzten Erbens der Gründer, so wie das Schicksal es vorgesehen hat.«
    »Wie kommst du hierher, Weib?« fauchte der Schechim, zutiefst erschrocken über das Erscheinen der Frau. »Die Dämonen können dich unmöglich verschont haben … welcher üble Zauber hat dich hierhergebracht?« »Ejos Frage ist berechtigt.«Inthara schritt auf Sinustre zu. »Wie konntet Ihr Euch Zutritt zum Palast verschaffen?«
    »Dieser Bau ist von Geheimgängen durchzogen«, antwortete Sinustre großspurig, »errichtet von einem Baumeister, der viele Jahre mit dem Umbau betraut war. So läßt sich jeder Winkel des Palastes erreichen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.«
    »Ihr hättet mir dieses Geheimnis anvertrauen müssen, als wir unser Bündnis schlössen.«Inthara war sichtlich erzürnt. »Warum seid Ihr hier? Habt Ihr nicht die Schatten bemerkt, die uns angriffen?«
    »Die Schatten …« Sinustre seufzte. »Sie sind keine Feinde der Menschen - nur etwas übereifrig. Sie haben Jahrhunderte gewartet, um den großen Plan zu verwirklichen.«
    Ejo tippte mit dem Stiefel gegen einen Gardisten, in dessen Augenhöhlen Blut stand. »Übereifrig? Dann bist du ebenso blind wie diese tote Ratte. Deine Schattendämonen kennen keine Gnade, sie morden, wer immer sich ihnen in den Weg stellt.«
    »Davon versteht Ihr nichts«, erwiderte Sinustre kalt. »Jede Veränderung erfordert Opfer. In Vara bricht eine neue Zeit an; nur die Mutigen können sie mitgestalten.« Sie wandte sich der Königin zu. »Laßt uns die Gunst der Stunde nutzen. Uliman hält Euch für tot - dies ist die beste Gelegenheit für einen Gegenschlag. Das Kind muß entmachtet werden, bevor es ein Unheil anrichtet.« Inthara nickte. Sie gab Ejo ein Zeichen. Er entzündete am Fenster eine Laterne, gab dem wartenden Heer vor dem Palast den Angriffsbefehl. Inthara aber bückte sich nach dem Kästchen, das vor ihr auf dem Boden lag, und verschloß Glams Geschenk darin. Die Schatten würden zurückkehren, um ihr Werk zu vollenden, und sie wollte darauf vorbereitet sein.

KAPITEL 9
Legenden
    Kommt … nun kommt doch endlich!« Sardresh von Narva stand in der Mitte des Gangs. Sein speckiger Lederhut war verrutscht, die Augenlider flatterten, und der Mund war aufgerissen wie der Schnabel eines Piepmatzes. Die Salbe, die er in regelmäßigen

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