Schattendämonen 3 - Nybbas Blut - Benkau, J: Schattendämonen 3 - Nybbas Blut
Oh, sie hasste Wasser, wenn es irgendwo war, wo es nicht sein sollte. Dieses Wasser, das so unberechenbar über die Ufer des Hafens und der Flüsse getreten war, hasste sie ganz besonders. Es war widernatürlich. Unmittelbar zu spüren, wie viel Macht diese fiese Seeschlange von Leviathan zu besitzen schien, missfiel ihr sehr. Es gab eigentlich nur eine Lösung für dieses Problem: Flucht. Die Berge Tibets waren hübsch und lagen in ausrei chender Höhe, sodass sich der Leviathan auf den Kopf stellen konnte und ihnen dennoch nicht gefähr lich werden konnte.
Bedauerlicherweise sah die Herrin das komplett anders.
„Lass den Leviathan ein wenig Planschen“, hatte sie am Abend zuvor gesagt. „Ich werde seine Spiele un terbrechen, sobald er es übertreibt. Offenbar möchte er meine Macht herausfordern, dazu wird er mehr bieten müssen, als ein wenig an der Insel zu wackeln.“
Natasha gab sich Mühe , zu ignorieren, dass die Her rin nackt war und sich zwischen den Beinen des Ge fangenen rekelte , der schlief wie tot. Ob sie ihren Spaß mit ihm gehabt hatte? So, wie er aussah, war sein Schlaf komatös , und wenn er sich bewegte, hörte man vermutlich seine Knochen klappern. Da konnte man sich ebenso gut an einer Leiche vergnügen.
„Herrin!“, wiederholte sie etwas lauter. „Sämtliche Hafengebiete stehen bis zu einem Meter unter Wasser. Der Hudson River tritt über seine Ufer. Es kann nicht mehr lange dauern, bis …“
Marina gähnte. „Hast du Angst vor nassen Füßen, mein Kätzchen?“
Sie hatte leicht reden. Nichts band den Luzifer an dieses Haus oder an diese Stadt. Er konnte jederzeit seinen Körper aufgeben und in seiner strahlenden Lichtgestalt verschwinden. Er hatte nicht ein knappes Dutzend Katzen, für das er verantwortlich war. Nata sha versuchte, sich ihren Ärger nicht anmerken zu las sen. „Wie du meinst, Herrin.“ In Gedanken schickte sie bereits einen Diener, um rasch weitere Transport körbe für ihre Tiere zu besorgen. Ihre Loyalität mochte groß sein – ihr Vertrauen war es nicht.
Der Gefangene erwachte, murmelte etwas in die Kissen, worauf die Herrin leise lachte und ihm über die knochige Brust strich, über den eingefallenen Bauch, bis ihre Hand unter der Decke verschwand und dem Gefangenen ein Stöhnen entlockte.
„Bring ihm einen Kaffee, Natasha“, schnurrte sie. „Und in zehn Minuten braucht er eine Zigarette.“
Natasha wandte sich wortlos ab und atmete tief und langsam. Sie war die Freundin der Herrin gewesen. Zumindest hatte sie sich als solche gefühlt. Und nun, von heute auf morgen, hatte man sie – eine ehemalige Königin, eine Göttin – zur Dienstmagd eines Lust sklaven degradiert. Allein die Tatsache, dass der Skla ve ausgehungert und gebrochen war, ließ Natasha so folgsam sein. Es bestand kein Zweifel, dass ihre Freundin Marina sie ebenso unter Druck setzen wür de, wenn sie sich widersetzte.
Die Lippen brutal zu einem Lächeln verzogen, ging Natasha. Kaffee kochen, pah.
~*~
„Nein, wir können den Wagen noch nicht zurückgeben. – Nein. – Nein, tut mir leid.“ Mary formte „So ein Blödmann!“ mit den Lippen. „Ich ver stehe Ihre Situation, aber wir haben den Wagen die ganze Woche gemietet und haben nicht vor, vorzeitig abzureisen. Wir brauchen ihn. – Nein. Auf Wieder hören.“ Mary drückte mit einem entnervten Stöhnen das Gespräch weg. „Wenn die noch ein einziges Mal anrufen und das Auto zurückhaben wollen, dann schmeiße ich das Handy aus dem Fenster.“
Joana tätschelte ihrer Mutter beruhigend den Arm, ballte die andere Hand zur Faust und drosch auf die Hupe. Die Straßen hatten Verstopfung wie eine Schiffsmannschaft nach drei Wochen Zwieback. Nichts ging mehr. Und das ausgerechnet in einem Viertel von Manhattan, in dem sich eine Kirche an die Nächste reihte. Das tröstende Glockenläuten vom Tonband war beinah nervtötender als die permanen ten Sirenen, die Joana nach vielen Stunden kaum noch wahrnahm.
Nachdem das zweite Beben das erste noch übertrof fen hatte und zugleich eine Flutwelle die Küste von Manhattan und große Teile Brooklyns und Staten Islands unter Wasser gesetzt hatte, war vollends Panik ausgebrochen. Maya-Prophezeiungen vom Ende der Welt waren in aller Munde. Prediger und solche, die es gern wären, liefen über die Straßen und riefen zu Gebeten auf. Ihre Anhänger wurden immer zahlreicher , und als eine betende Gruppe am im Stau festgefahrenen Wagen vorbeizog, erwischte sich Joana dabei, die Bibelverse
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