Schattendämonen 3 - Nybbas Blut - Benkau, J: Schattendämonen 3 - Nybbas Blut
leise mitzusprechen. Manche Gläubige bettelten mit zum Himmel gestreckten Hän den um Gnade. Andere tanzten vor Vorfreude, end lich für ihre Sünden zahlen zu dürfen. Ein Indianer mit kitschigem Kaufhaus-Federschmuck auf dem Kopf radelte auf einem Rennrad an ihnen vorbei und rief: „Die Aliens kommen! Die Aliens kommen!“ Dabei wich er Rissen auf der Straße aus, die im Minutentakt größer zu werden schienen.
„Das kann doch nur ein böser Traum sein“, stöhnte Mary. „Können wir das Auto nicht stehen lassen? Es ist nicht mehr weit.“
Joana schüttelte den Kopf. „Sie werden uns verfol gen. Ich weiß nicht, wie lange ich sie aufhalten kann.“ Wenn überhaupt. „Wir werden schnell fliehen müs sen – irgendwohin .“
„Fabelhafte Aussichten“, erwiderte Mary trocken und starrte auf die Rücklichter des Wagens vor ihnen. „Da können wir nur hoffen, dass die Sonntagsfahrer hier gleich alle nach Hause tuckern. In welche Rich tung willst du fliehen?“
„Die Manhattan-Bridge ist noch geöffnet, viel mehr Auswahl haben wir nicht.“ Joana hupte erneut.
Mary wiegte den Kopf. „Vielleicht versuchen wir lieber , von der Insel runterzugelangen . Rüber nach New Jersey.“
„Gute Idee. Mach mal das Radio an, sie sagen sicher durch, welche Brücken passierbar sind.“
Mit dem Tempo einer Schnecke im Juli kämpfte Joana den Mietwagen durch South Manhattan. Es erschien ihr fast als ein Zeichen des Schicksals, als sich der Verkehr in Richtung Harlem immer weiter auf löste. Binnen Minuten wurde es fast gespenstisch still. Nur eine ferne Sirene heulte, es klang wie der Wind. In Harlem schien man sich mit der Situation arran giert zu haben. Nur selten sah man ein Auto. Die auf gehende Sonne zog die Schatten von Gummibäumen wie Ranken quer über die Straßen. Grellgrüne Japani sche Zelkoven wiegten sich in den sachten Nachbe ben wie in einer angenehmen Brise. Vor manchen Häusern saßen ältere Schwarze rauchend beieinander auf der Veranda und machten den Eindruck, als wür den sie auch dann in Ruhe weiterrauchen, wenn ihr Haus samt Veranda bis in die Bonx geschwemmt werden würde. Jüngere Personen versammelten sich in den Bars oder vor den Schaufenstern und debat tierten; teils besorgt, teils zu cool, um sich Angst an merken zu lassen. Joana hielt an einem dieser Schau fenster, als sie wahrnahm, wie die Leute dort plötzlich in chaotisches Geschrei verfielen. Fast gleichzeitig wurde die Berichterstattung über die Bebenschäden im Radio ohne Übergang abgedreht.
„Liebe Hörer, wir unterbrechen den aktuellen Bei trag für eine Sondermeldung, die unmittelbar aus dem Weißen Haus auf unseren Tischen landet. Ich weiß nicht, was ich sagen soll … Der Präsident der Ver einigten Staaten … hat soeben der Russischen Föde ration den Krieg erklärt.“
~*~
„Herrin!“ Natasha kreischte auf , als Marina bewusst los in sich zusammensank und zu Boden fiel wie ein Blatt Papier. Langsam und lautlos, nur ihr Kleid raschelte. Sofort eilte sie ihr zu Hilfe, doch Marina rappelte sich bereits wieder auf und lächelte erschöpft.
„Das habe ich seit sicher fünfhundert Jahren nicht mehr gewagt. War ich erfolgreich?“
Das hätte Natasha ihr sicher leichter beantworten können, wenn sie eine Ahnung gehabt hätte, was ihre Herrin vorhatte. Aber nein, sie hatte sich in Schwei gen gehüllt wie in ihr bodenlanges Prada-Kleid. Eine gute Stunde lang hatte sie unbeweglich wie eine Statue und mit geschlossenen Augen inmitten ihres Salons gestanden und Natasha allein durch einen Gedanken angewiesen, keinen Laut von sich zu geben, worauf sich Natasha nicht einmal bewegt und nur flach ge at met hatt e.
„Schalte den Fernseher ein“, rief Marina nun und versuchte, aufmunternd in die Hände zu klatschen, war aber nach ihrem Zusammenbruch zu schwach. Ihre Augen glänzten fiebrig und ihr Gesicht sah aus, als würde es gleich zerbrechen wie dünnes Glas. Durch ihre Haut leuchtete die Präsenz des Dämons; ein dunkles und zugleich gleißendes Leuchten, das man erst verstand, wenn man es erlebt hatte. Natasha hätte es nicht irritiert, wenn der Menschenkörper um ihre Herrin aufgeplatzt wäre wie eine zu enge Pelle. Es war, als müss t e des Luzifers Lichtgestalt fast explo dieren vor Macht, und das schien ihn wiederum zu schwächen. Natasha wollte sie stützen und ihr in einen Sessel helfen, aber Marina wies sie ab. „Tu schon, was ich dir sage!“
Natasha gehorchte, konnte sich aber nicht vorstel len, was
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