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Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn

Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn

Titel: Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.A. Salvatore
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gutgeheißen und sie bereitwillig hingenommen, nicht etwa weil sie unvermeidlich gewesen wäre, sondern als willkommene Waffe gegen Feinde, die nichts anderes verdient hatten. Aber der Wertiger bedeutete mehr, wie De’Unnero wusste. Der Wertiger bemächtigte sich Marcalo De’Unneros Seele und raubte ihm alles – seine gesamte Disziplin und Selbstbeherrschung. In Gestalt des Wertigers hatte Marcalo De’Unnero keinen Zugang zu Gott, denn Gott hatte ihn und seine Mitmenschen mit Verstand gesegnet, damit er über die tierischen Triebe triumphierte und jeden Schritt und jede Tat vor der Ausführung genau bedachte.
    Der Wertiger dagegen war ein von Instinkten und Gier geleitetes Geschöpf, das geschickt im Reißen seiner Beute war, aber kaum jemals Zeit darauf verwendete, irgendetwas zu durchdenken.
    Marcalo De’Unnero hasste dieses Wesen von ganzem Herzen, und er hasste sich selbst, weil er wieder einmal versagt und der unter Kontrolle geglaubten Bestie freien Lauf gelassen hatte.
    Mit jedem Schritt einen wüsten Fluch ausstoßend, kehrte De’Unnero ins Dorf zurück. Dort lag der hoch gewachsene Kerl, die Kehle vom reißenden Wertiger zerfleischt, und gleich daneben, in Stücke gerissen und blutüberströmt, der bärenhafte Hüne. All das viele Blut!
    Ein Schluchzen hinter dem Haus erinnerte De’Unnero an den anderen Kerl.
    Er fand ihn, leise weinend an die Wand gelehnt. Als der Mann De’Unnero erblickte, versuchte er sich hochzuziehen und Reißaus zu nehmen, stürzte aber sogleich wieder hin, hielt sich das Knie und schrie noch lauter als zuvor. »Der Dämon!«, jammerte er. »Der geflügelte Dämon ist gekommen, um mich zu holen!«
    Marcalo De’Unnero ging beiläufig zu ihm, packte den Mann – den einzigen Zeugen – an den Haaren, bog ihm den Kopf mit einem Ruck in den Nacken und entblößte dadurch seine Kehle. Ein Stoß mit gestreckten Fingern, und die Luftröhre des Mannes war zertrümmert. Achtlos ließ De’Unnero den Kopf wieder fallen und trat einen Schritt zurück.
    Dieser letzte Tötungsakt beschäftigte ihn ohnehin nicht sonderlich, denn in seinem Herzen und nach dem merkwürdigen moralischen Regelsystem, dem Marcalo De’Unnero stets gefolgt war, hatte er mit der Exekution dieses Mannes kein Unrecht begangen. Der Narr, offenkundig ein Dieb und Mörder, hatte sich diese brutale Gerechtigkeit selbst zuzuschreiben, davon war De’Unnero überzeugt.
    Vielmehr dachte De’Unnero im Augenblick darüber nach, wie er den zurückkehrenden Jägern die Art der Verletzungen erklären sollte, die er diesen Leuten zugefügt hatte.
    De’Unnero entfernte sich und überließ den Narren seinem einsamen Tod. Die geflohene Zeugin dagegen bereitete ihm erheblich größere Sorgen. Ausgerechnet eine Bardin hatte er entkommen lassen.
    Erst jetzt bemerkte er, wie müde und verwundet er tatsächlich war, und ließ sich gegen eine Hauswand sinken.
    Eine Bardin als Zeugin! Ausgerechnet!

7. Zielstrebig
    »Ich habe dir in dieser Frage keine Entscheidungsmöglichkeit gelassen«, herrschte Lady Dasslerond Aydrian an.
    »Und wenn ich nicht wieder hinunter in das Loch will?«, erwiderte der Junge trotzig – noch trotziger als sonst.
    Lady Dasslerond setzte eine amüsierte Miene auf, eine Miene, die dem jungen Aydrian zeigen sollte, dass es ihr vielleicht sogar lieber war, wenn er sich offen widersetzte, und sei es nur, um ihr die Genugtuung zu geben, ihn eigenhändig hinunter in das Loch zu befördern.
    »Ich will hier draußen bleiben«, beharrte Aydrian. »Unter den Sternen, wo die Luft von lieblichen Düften erfüllt ist und ein frischer Wind weht.«
    »Wenn du tüchtig bist und deine Arbeit gut machst, wirst du wieder draußen sein, bevor die Sterne am Nachthimmel stehen«, erwiderte Lady Dasslerond.
    Aydrian musterte sie kurz, zuckte mit den Achseln und erklärte: »Nein, ich bleibe lieber hier.« Daraufhin vernahm er ringsum ein Rascheln und Murmeln, das ihm verriet, dass viele aus Dassleronds Volk in der Nähe waren. Noch beunruhigender waren Dassleronds fortgesetzte Amüsiertheit über seine Albernheiten und dieser Gesichtsausdruck, der jetzt in ein fast begieriges Feixen überging.
    Die Herrscherin deutete mit ausgestrecktem Arm nach oben und blickte in den spätnachmittäglichen Himmel. »Genieß den Sonnenschein«, sagte sie. »Genieße deine letzten Stunden in Andur’Blough Inninness.«
    Aydrian, viel zu sehr damit beschäftigt, sich eine Antwort zurechtzulegen, um das ganze Gewicht ihrer Bemerkung zu begreifen,

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