Schattenelf - 2 - Das Turnier
Sturmwind lag! Mit dem Schwert in der Hand hätte er sich sofort auf Elbryans Geist stürzen und ihn blitzschnell niederstrecken können, bevor sich Mathers Geist in den Kampf einmischte.
Doch halt, überlegte er. Genau das erwartete man doch von ihm; es war genau das Vorgehen, das diese widerwärtige Dasslerond von ihm geradezu verlangte .
Erst in diesem Augenblick gewahrte Aydrian, dass er einen der magischen Steine in der Hand hielt, einen Hämatit, den Seelenstein, das Tor, das ihm den Weg ins Reich seiner Gegner öffnen konnte, vielleicht sogar …
Dann stand der erste Geist unmittelbar vor ihm, und Aydrian, ein Grinsen im Gesicht, hob den Arm, jagte seine gesamte ungeheure Willenskraft in den Seelenstein und durch ihn hindurch und traf den nichts ahnenden Geist mit einem gewaltigen Stoß magischer Energie. Der Geist blieb unvermittelt stehen; er schien leicht zu schwanken.
Aydrian versuchte, hinter die verweste, greifbare Fassade und bis zum Geist selbst vorzudringen, bis zu jenem winzigen Flackern von Elbryans Bewusstsein, das sich noch bewahrt hatte. Daran klammerte er sich mit seiner spirituellen Kraft, an dieses Flackern wandte er sich, und nicht etwa an diese Verhöhnung menschlicher Sterblichkeit. Schließlich kämpfte Aydrian allein mit seiner Willenskraft und seinen magischen Kräften gegen die ältesten und stärksten Bande, die es überhaupt gab, die Bande des Todes.
Staunend, aber stets bemüht, in seiner Konzentration nicht nachzulassen, verfolgte er, wie diese scheußliche Gestalt sich zu verwandeln begann, wie die faulige Haut eine gesunde, lebendig-frische Farbe annahm und eine leere Augenhöhle sich wieder füllte, als ein eingeschrumpfter Augapfel an seinen Platz zurückschnellte. Und in diesem Auge flackerte so etwas wie eine Seele auf, ein Funken Leben.
Und plötzlich war das Wesen vor ihm mehr Elbryan als Elbryans Geist.
Doch schon nahte der zweite Geist. Aydrian spielte mit dem Gedanken, sich auf ihn zu werfen, ahnte jedoch, dass dieser zweite Kampf weit schwieriger werden würde, da Mather bereits sehr viel länger tot und seine Seele weitaus fester in den Klauen des Todes gefangen war.
Als Elbryan sich zurückzog und den Weg frei machte für die groteske Erscheinung Mathers, zögerte er unschlüssig. Dann warf sich der Geist plötzlich auf ihn, packte ihn an der Kehle, hob ihn mit erstaunlicher Kraft hoch und drückte ihn gegen einen Baum. Er musste sich wehren, musste sich wieder in den Hämatit fallen lassen und diese unmenschlich kräftige Kreatur angreifen. Er musste einen Weg finden, sich aus deren Griff zu befreien, denn ihm drohte die Luft auszugehen.
Aber es war unmöglich.
Seinen Körper hin und her windend, versuchte Aydrian sich gedanklich so weit zu befreien, dass er die Kraft des Hämatits wiederfinden konnte. Aber es war zwecklos, wie er sofort erkannte, als ihm allmählich schwarz vor Augen wurde. Mit jeder Sekunde, die verstrich, entfernte sich sein Bewusstsein weiter aus seiner verzweifelten Situation und ließ sich immer tiefer in die verheißungsvolle Dunkelheit sinken.
Er vernahm ein Schwirren, gefolgt von einem ekelhaften Knistern, dann war er plötzlich frei, landete auf den Füßen und torkelte zur Seite. Auf allen vieren landend blickte er sich kurz um und sah Mathers Geist mit den Stummeln, die einmal seine Arme gewesen waren, wild auf das halb aus Geist, halb aus Mensch bestehende Wesen einprügeln, das einmal Elbryan gewesen war und jetzt eine blinkende Elfenklinge schwang.
Aydrian krabbelte noch ein Stück weiter weg, kroch bis zum nächsten offenen Grab, dem er den Bogen Falkenschwinge entnahm. Zu seinem Erstaunen war er, mitsamt Sehne und einem Köcher voller Pfeile, offenbar unbeschädigt erhalten geblieben. Rasch rappelte er sich auf, trat einige Schritte zurück und fuhr herum, um den noch immer andauernden Kampf zu verfolgen, in dem Elbryan soeben Mathers Geist in Stücke schlug, genau wie er dies vor vielen Jahren schon einmal getan hatte, um sich Sturmwind zu verdienen, eben jenes Schwert, das er jetzt wieder in den Händen hielt.
Als Mather schließlich zu Boden ging, kam das eigenartige, weder tote noch lebendige Wesen, dieses Etwas, das teils der Geist von Aydrians Vater war, teils dessen Fleisch und Blut, zwei Teile, die nicht wirklich miteinander verbunden waren, langsam auf ihn zu und ließ das Schwert sinken.
Aydrian warf einen Blick auf seinen Hämatit und fragte sich, wie weit er in diesem Augenblick noch gehen und ob er die Bande
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