Schattenelf - 2 - Das Turnier
aber einen Untertan zu schlagen, stieß auf äußerste Ablehnung –, aber sie musste, zumindest sich selbst, eingestehen, dass sie es durchaus genossen hatte. Die Hofdame hatte ihr direkt in die Augen gesehen und ihr gedroht: »Ich wünschte, Ihr wärt nicht die Königin.«
»Ihr solltet froh sein, dass ich es bin«, hatte Jilseponie erwidert, die nicht im Traum daran dachte, klein beizugeben, und deren Schmerzen an der Mauer ihres Zorns abprallten. »Denn sonst würde ich Euch bewusstlos schlagen, und Eure Freundin ebenfalls.« Bei ihren letzten Worten hatte sie die andere Hofdame, die einzige Zeugin des Zwischenfalls, mit strengem Blick angesehen.
Selbstverständlich blieb ihr Vorgehen nicht ganz folgenlos; in den Kreisen der gesellschaftlichen Elite nahmen die Gerüchte überhand, es war sogar die Rede davon, die Hofdame werde von König Danube eine öffentliche Entschuldigung Jilseponies für ihr abstoßendes Benehmen verlangen. Sollte diese Forderung tatsächlich erhoben werden, geriete Danube dadurch wahrlich in eine Zwickmühle.
Jilseponie war jedoch nach wie vor überzeugt, dass die Ohrfeige dies alles wert gewesen war. Sie konnte kaum noch zählen, wie oft sie dem Drang widerstanden hatte, sich zu einem Streit mit diesen heuchlerischen, durch und durch widerwärtigen Frauen des Adels hinreißen zu lassen, insbesondere mit dem kleinen Kreis um Constance Pemblebury, aber auch mit einigen der arroganteren und törichteren Herren des Adels.
Aber leider ließen die Pflichten ihres Amtes das nicht zu.
Also versuchte sie einfach darüber hinwegzusehen und ihre Aufmerksamkeit und Kraft auf erfreulichere Unternehmungen zu richten. Die meisten Adligen verbrachten ihre Mußestunden folgendermaßen: Man ging auf die Jagd, spielte um Geld, feierte Feste und machte den Damen den Hof. Jilseponies einziges Vergnügen dagegen bestand darin, dem Tun Avelyns und Elbryans nachzueifern. Noch immer setzte sie sich nach Kräften für die Angelegenheiten der Bedürftigsten ein, auch wenn die Methoden sich zweifellos geändert hatten. Früher hatte sie mit dem Schwert in der Hand gegen Pauris und Goblins gekämpft, jetzt musste sie unbedeutende Lords und ungerechte, überkommene Traditionen sowie eine ineffektive Bürokratie mit Worten niederringen und die Autorität ihres Amtes dazu benutzen, ihren Einfluss gegen die Justiz geltend zu machen.
Es war ein langwieriger und oft enttäuschender Prozess. Die Traditionen waren ebenso festgefahren wie die Menschen, die nicht von ihnen lassen wollten, und noch immer betrachtete man Jilseponie zu sehr als Außenseiterin, als dass sie ohne weiteres eine Veränderung zum Besseren hätte bewirken können.
Und jetzt das; die Krämpfe waren zurückgekehrt, folgten ihr auf Schritt und Tritt und strahlten von ihrem brennenden Unterleib aus, bis ihr ganzer Körper schmerzte und sie sich kaum noch konzentrieren konnte. Bislang hatte sie es vermieden, den Schmerzen mit ihrem Seelenstein nachzuspüren, teils, weil sie noch nie so heftig gewesen waren, aber auch, weil sie diesen speziellen Aspekt ihres Körpers einfach nicht ins Zentrum ihres Bewusstseins rücken wollte. Markwarts Attacke, damals vor den Toren von Palmaris, hatte sie einen sehr viel höheren Preis gekostet als nur ihr ungeborenes Kind. Der Dämon in Markwart hatte sie im Wesen ihrer Weiblichkeit getroffen, war bis in ihre intimsten und persönlichsten Sphären vorgedrungen und hatte sie, im wahrsten Sinne des Wortes, vergewaltigt. Wenn sie in ihren Unterleib vordrang, und sei es nur zu Heilungszwecken, wäre sie gezwungen, all diese Gefühle des Verletztwerdens noch einmal zu durchleben.
Doch sie hatte keine Wahl; dafür waren die Schmerzen viel zu heftig. Selbst wenn sie ihre Befürchtungen, Markwarts Angriff könnte möglicherweise ein lebensbedrohliches Problem verursacht haben, verdrängte, sie wirkten sich negativ auf ihre Stellung und ihre Pflichten aus und beeinträchtigten sie in ihrer Lebensfreude als Königin und als Gemahlin.
Also nahm sie ihren Seelenstein zur Hand und begab sich, in Gedanken bei Elbryan, auf ihre schwere Reise. Statt ihren schmerzhaften Erinnerungen aus dem Weg zu gehen, versuchte sie sie in einem positiven Licht zu sehen; sie erinnerte sich an ihr ungeborenes Kind und durchlebte noch einmal die Freude, neues Leben in sich heranwachsen zu spüren.
Sie drang vor bis in ihren leeren Unterleib, sah die Narben dort, entdeckte aber auch etwas sehr viel Beängstigenderes, Lebendigeres und
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