Schattenelf - 2 - Das Turnier
denselben Namen hatte die Schenke von Jilseponies Adoptiveltern in Palmaris gehabt. Und auch den Schankwirt kannte er, einen alten Mann mit Namen Belster O’Comely; Belster, mittlerweile halb blind und nicht bei bester Gesundheit, schien die wahre Identität der drei Fremden, die in sein Dorf gekommen waren, aber nicht einmal zu ahnen.
Also blieben sie und lebten, während der Herbst allmählich in den Winter überging, unter den Bewohnern der winzigen Ortschaft, wie sie es während der letzten Jahre schon in so vielen Orten getan hatten. Wie es das Schicksal wollte, fiel der erste Schnee in diesem Jahr ziemlich spät.
Die ersten Schneestürme setzten eines frühen Morgens ein und hielten bis zum späten Nachmittag an. Es hatte noch nicht wieder ganz aufgehört zu schneien, als Aydrian, einen Beutel mit Kerzen am Gürtel, bereits unterwegs war und sich, durch die Schneeverwehungen stapfend, einen Weg in das Gehölz und zu den Hügelgräbern bahnte. Im Schutz der dichten Nadelhölzer waren die Hügelgräber nicht vollständig unter dem Schnee begraben worden.
Aydrian machte sich sofort an die Arbeit. Tief gebückt zog er kreuz und quer über das Feld und formte kleine Kuppeln aus Schnee, versah sie mit einer Öffnung und bestückte jede von ihnen mit einer Kerze. Als die letzte Schneekuppel fertig war, entzündete er die Kerzen mit Hilfe seines Rubins, dann kehrte er, in Sichtweite der Schneekuppeln, in das Gehölz zurück und wartete.
Und wartete.
Kurz darauf nickte er ein oder glaubte dies zumindest, denn seine gesamte Umgebung bekam schlagartig etwas Traumhaftes und Unwirkliches. Er stellte sich vor, wie die Steine wie von selbst die beiden Grabhügel freigaben, stellte sich vor …
Aydrians Sinne kehrten ruckartig zurück, als sich das schauerliche Bild eines halb verwesten Leichnams genau vor ihm aufrichtete. Schwerfällig hob dieser den Arm und holte aus, und falls Aydrian noch Zweifel an der Echtheit dieser Erscheinung hatte, so wurden diese umgehend beseitigt, als er plötzlich mit schmerzendem Unterkiefer durch die Luft flog.
Sofort war er wieder auf den Beinen und erkannte, um was es sich in Wahrheit handelte: um einen Test für die Hüter, die es auf die von den Elfen hergestellten Werkzeuge und Waffen ihrer Vorfahren abgesehen hatten. Besiegte er den Geist im Kampf, erwarb er sich damit das Recht, dessen Waffe zu tragen. In diesem Moment ging Aydrian die Bedeutung einiger Schattenbilder auf, die er in den letzten Wochen bei Orakel gesehen hatte, verschwommene Bilder von Elbryan, wie er genau an diesem Ort mit dem Geist Mathers gerungen hatte, um sich das Recht auf das Schwert Sturmwind zu verdienen.
Wortlos, ohne die geringste Gefühlsregung zu zeigen, kam der Geist auf ihn zu. Aydrian musterte ihn von Kopf bis Fuß und brauchte nicht mehr zu den Gräbern hinüberzusehen, um zu wissen, dass sich das richtige Grab – Elbryans nämlich – aufgetan und dieses Grauen erregende Wesen freigegeben hatte. Dies war tatsächlich sein Vater, wie der junge Hüter zweifelsfrei erkannte, und er wusste auch, dass jetzt von ihm erwartet wurde, dass er zu seiner Waffe griff und diese gespenstische Erscheinung zurückschlug.
Schon die Vorstellung, dass dieser Kampf von ihm erwartet wurde – seitens der Elfen nämlich, von denen der Zauber stammte –, ließ Aydrian vor der Aufgabe zurückschrecken. Es widerstrebte ihm zutiefst, sich von Lady Dasslerond vorschreiben zu lassen, was er zu tun hatte.
Er tauchte unter dem nächsten Hieb des angreifenden Geistes weg; als er dann aber zur Seite krabbeln wollte, traf ihn eine Rückhand an der Schulter, und er wurde abermals durch die Luft geschleudert. Er stolperte auf den offenen Grabhügel zu und sah tief in dessen dunklem Inneren das polierte Holz eines prachtvollen Bogens schimmern.
Und er sah, wie die Steine des anderen Grabhügels in Bewegung gerieten. Sofort wurde ihm klar, dass er in ernsthaften Schwierigkeiten war, denn offenbar hatte er mit seinen leuchtenden Schneekuppeln beide Geister zum Leben erweckt.
Er drehte sich von dem offenen Grab weg, stolperte, stützte sich mit dem Rücken an einem Baum ab und sah, wie der Geist seines Vaters immer näher kam, wie die Steine des zweiten Grabhügels herunterpolterten, bis das Grab sich auftat und das zweite, noch stärker verweste und scheußlichere Wesen aus dem Reich der Toten auferstand.
Aydrian kämpfte darum, nicht die Fassung zu verlieren. Hätte sich doch nur zuerst das andere Grab geöffnet, in dem
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