Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
Gelegenheit beim Schopf und bot an sämtliche Lebensmittel zu untersuchen. Niemand verstand so recht, was der Mystiker eigentlich vorhatte, aber es wagte auch niemand, ihn danach zu fragen.
Mit feierlichem Ernst trat er nah an jedes Vorratsbündel heran, versenkte sich in tiefe Meditation und ließ, ganz so wie ein abellikanischer Mönch, der sich eines Hämatits bedient, sein bewusstes Empfinden in die Lebensmittel hineinströmen, um sich so ein Bild von allen im Innern der Speisen verborgenen »Krankheiten« zu machen.
Anschließend erklärte er, welche Speisen genießbar waren und welche nicht, und ungeachtet der unzähligen fragenden Blicke all derer, denen Pagonels Methode fragwürdig erschien und die demzufolge an seinen Schlussfolgerungen zweifelten, nickte Ashwarawu zum Zeichen, dass er einverstanden war.
Der mächtige Rebellenführer trat an das erste Bündel, das Pagonel für unbedenklich erklärt hatte, führte ein Stück Fleisch an seinen Mund und biss herzhaft hinein.
»Nun habt Ihr doch noch einen Weg gefunden, Euch nützlich zu machen!«, verkündete Ashwarawu unter dem begeisterten Jubel der übrigen Rebellen.
Brynn beobachtete das Geschehen genau; sie verfolgte jede Bewegung Ashwarawus, versuchte zu begreifen, wie er sein Spiel mit den Gefühlen der Menschen trieb und ihre Hoffnungen zum eigenen Nutzen, aber auch zur Hebung der allgemeinen Moral, auf andere Ziele lenkte. Ganz offensichtlich hatte Ashwarawu erkannt, dass die emotionalen Auswirkungen der vergifteten Lebensmittel viel schlimmer sein könnten als der körperliche Schaden, den sie hervorgerufen hatten. Das Gift hätte das Selbstvertrauen der Rebellen untergraben können, ihr Vertrauen in ihren Anführer und in die Unterlegenheit des Feindes. Dies alles war mit einem Schlag ausgeräumt, zumindest solange sich Pagonels Urteil über die Lebensmittel als korrekt erwies.
Allmählich dämmerte Brynn, aufgrund ihres Aufenthalts bei den Elfen im Besitz eines tiefer gehenden Verständnisses von Magie und Wahrnehmung, was es mit diesem Mystiker der Jhesta Tu tatsächlich auf sich hatte; sie zweifelte keinen Augenblick daran, dass sich sein Urteil über die Lebensmittel als korrekt herausstellen würde.
Und genau so kam es im Laufe der nächsten Woche auch.
Es folgte eine Reihe ereignisloser Tage, während derer sich die Rebellentruppe neu formierte. Wie fast immer in der Phase nach einem großen Erfolg, trafen immer mehr Krieger ein, um sich dem mächtigen Ashwarawu anzuschließen. Brynn ließ den Rebellenführer in dieser Zeit kaum aus den Augen, unterzog alles, was er sagte oder tat, einer kritischen Prüfung, um herauszufinden, was wirkte und was offensichtlich nicht so gut funktionierte. Aber während der ganzen Zeit gelang es ihr nie, die unübersehbare Tatsache, dass Ashwarawu noch sehr jung war, sogar jünger als sie selbst, aus ihren Gedanken zu verbannen.
Was ihm an Reife und Taktgefühl fehlte, machte er mit schierer Tapferkeit und Wildheit wieder wett.
Das war sein Geheimnis, entschied Brynn. Seine Tapferkeit war so überwältigend, dass sie allen in seiner Umgebung Kraft gab und Mut machte, so wie neulich, als er kurz entschlossen in das von Pagonel für unbedenklich erklärte Fleisch gebissen hatte. Er hatte nicht etwa einem Untergebenen befohlen, das Fleisch zu kosten; schließlich zog Ashwarawu auch auf dem Schlachtfeld nicht hinter seinen Kriegern in den Kampf.
Nein, er führte sie mit Gebrüll und aufmunternden Rufen an und provozierte den Feind geradezu, ihn anzugreifen.
Darüber hinaus musste man ihm zugute halten, dass er Brynn in diesen Tagen kein einziges Mal bedrängte oder aber versuchte, sie zu übersehen. Im Großen und Ganzen behandelte er sie wie alle anderen – außer dass Brynn ihn oft dabei ertappte, wie er ihr verstohlene Blicke zuwarf.
Eines Morgens erwachte Brynn und hörte eine große Unruhe im Lager. Unweit ihrer Zeltöffnung erblickte sie Pagonel; amüsiert verfolgte der Ordensbruder, wie viele der Rebellen sich um eine To-gai-ru mittleren Alters scharten.
»Ya Ya Deng ist wieder da«, erklärte er, doch der Name sagte Brynn überhaupt nichts.
»Eine Informantin aus Dharyan«, fügte Pagonel hinzu, als er Brynns verständnislosen Gesichtsausdruck bemerkte. »Ihre Nichte arbeitet im großen Tempel von Dharyan und belauscht des Öfteren Yatol Grysh und die Befehlshaber seines Militärs.«
Brynn nickte und drehte sich wieder um, um sich die Frau näher anzusehen.
»Sie ist gekommen, um uns über
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