Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
Zielen gar nicht so sehr unterscheiden. Fromme Abellikaner stehen den Yatols sehr viel näher als die Straßenräuber Eurer Länder, ebenso wie fromme Yatols vor den Toren Eures Himmels willkommener sein sollten als die gesetzlosen Piraten, die die behrenesischen Küsten unsicher machen.«
Beim Sprechen sah sich Yakim Douan nach Merwan Ma um und bemerkte, wie der Mann große Augen bekam – was ihn aber keineswegs verwunderte. Hätte Yakim Douan nicht stillschweigend darauf vertraut, dass dieser das Gespräch vertraulich behandelte, hätte er niemals so mit seinem Besucher geredet. Denn sowohl die offiziellen als auch die öffentlichen Äußerungen der Yatol-Religion waren, was die Abellikaner betraf, recht unmissverständlich. Schon der Gebrauch ihrer Steine machte sie verdammenswert. In den Augen der Yatols waren die Steine das Werkzeug des geflügelten Dämons, und gemäß dieser Argumentation hätten »fromme« Abellikaner in der Schlange der auf Einlass in das von Yatol versprochene Paradies Wartenden ganz am Ende platziert werden müssen.
Während Merwan Ma sichtlich verwirrt und verblüfft reagierte, ließ sich Meister Mackaront offenbar ein wenig entspannter in seinen Sessel zurücksinken. In der Tat, registrierte Yakim Douan zufrieden, die Saat war offenbar auf fruchtbaren Boden gefallen.
»Genug der Philosophie«, verkündete der Chezru-Häuptling. »Ich bin sicher, Ihr seid nicht wegen eines solchen Gesprächs hergekommen, außerdem ist meine Zeit knapp bemessen. Was gibt es Neues von Abt Olin?«
Meister Mackaront brauchte einen kurzen Augenblick, um sich zu sammeln, räusperte sich und machte dabei ein paar unerfreuliche Geräusche in seiner Kehle. Yakim Douan versuchte, nicht weiter auf den Mann zu achten, und richtete seinen Blick wieder hinaus nach Westen und auf die schier endlose Gebirgskette.
»Abt Olin bat mich, nach Jacintha zu reisen und Euch davon zu unterrichten, dass sich Agronguerres Gesundheitszustand verschlechtert hat«, erklärte der Besucher aus Entel. »Er ist mittlerweile sehr alt und gebrechlich, und man erwartet innerhalb der nächsten ein, zwei Jahre ein Abtkollegium.«
»Und – erwartet Abt Olin, in das höchste Amt Eures Abtkollegiums aufzusteigen?«
»Allerdings, das tut er. Es gibt natürlich Konkurrenten …«
»Aus eben diesem Grund liegen diese Dinge bei uns in Gottes Hand, und nicht in der eines sterblichen Mannes«, konnte sich Yakim Douan nicht enthalten einzuwerfen.
Etwas sträubte sich in Mackaront, er schaffte es aber, die Bemerkung mit einem Hüsteln zu übergehen. »Es gibt einen Meister in St. Mere-Abelle, der als sein schärfster Widersacher gilt, sowie noch einen zweiten, einen jüngeren Mann, der allerdings das Glück hatte, zum Kreis der Anhänger Bruder Avelyns zu gehören, dessen Wunder das Königreich von der Rotfleckenpest befreite. Selbstverständlich ist der Mann noch nicht so weit, aber die Wellen der Gefühle schlagen hoch, und zwar zu Gunsten des verstorbenen Bruders Avelyn.«
»Ja, richtig, das war doch dieser umherziehende Ketzer, der einen Berg in die Luft gesprengt und den Dämon besiegt hat«, erwiderte Yakim Douan mit einem leichten Anflug von Sarkasmus. »Der seinen toten Arm gen Himmel gereckt hat und die Macht Gottes herbeirief, um Euer Land von dieser verheerenden Pest zu kurieren.« Der Chezru-Häuptling widerstand der Versuchung, darauf hinzuweisen, dass diese angeblich von Gott beendete Epidemie logischerweise auch als von Gott gesandte Epidemie betrachtet werden müsste. Und wenn das zutraf, wieso hatte Gott dann eigentlich nicht Behren und die heidnischen Yatols mit dieser Katastrophe heimgesucht?
Einen normalen Sterblichen mochten solche Fragen in Erklärungsnot stürzen, für Yakim Douan aber, der bereits seit vielen Jahrhunderten lebte und beabsichtigte, dies bis in alle Ewigkeit fortzusetzen, waren solche Fragen lediglich der Stoff, aus dem er sein Vergnügen bezog.
Aber nicht jetzt, ermahnte sich der Chezru-Häuptling im Stillen. Nicht hier, und nicht gegenüber diesem Mann.
»Wie hoch schätzt Abt Olin die Gefahr durch den jüngeren Gefolgsmann Bruder Avelyns ein?«
Meister Mackaront zuckte mit den Achseln; offenbar hatte er gegen den Themenwechsel nichts einzuwenden. »Der junge Abt Braumin sollte keine allzu große Gefahr darstellen. Er selbst ist eigentlich gar nicht so sehr die treibende Kraft; vielmehr sind es seine Verbindungen zu den Jüngern Avelyns von denen einer zum Märtyrer gemacht wurde und der andere
Weitere Kostenlose Bücher