Schattenelf - 4 - Feuerzauber
Jilseponie jeden Tag draußen bei den Armen und Kranken verbrachte.
Sie und ihr Gemahl waren keine Bedrohung.
Aber das brauchte Kaliit Timig schließlich nicht zu wissen.
Pherol hockte auf einem Termitenhügel, wetzte seine sogar in seiner menschenähnlichen Gestalt noch Furcht erregenden Krallen an einem großen Findling und machte, wie üblich, kein allzu glückliches Gesicht.
»Was meinst du, wird er diese Waffen schon bald benutzen?«, fragte Cazzira Juraviel. Die beiden saßen auf der anderen Seite des Weges.
Juraviel zuckte mit den Schultern, obwohl ihn eben diese Befürchtung schon eine ganze Weile beschäftigte. Von dem Augenblick an, da sie das Gebirge verlassen, Pherol wieder seine ursprüngliche Gestalt angenommen und seine riesigen Flügel in der Bergluft ausgebreitet hatte, war Juraviel nicht müde geworden, den Drachen nach Kräften zu besänftigen. Denn für die Riesenbestie waren sämtliche Lebewesen in seiner Umgebung nichts weiter als potenzielle Nahrung oder Ventile für seine angeborene Aggressivität. Bislang hatte Pherol sich halbwegs anständig benommen und, soweit die beiden Elfen wussten, keinen einzigen Menschen getötet. In letzter Zeit aber, da die Wochen sich zu endlosen Monaten dehnten und der unangenehm eisige Wind in der Steppe oft mit beißend kaltem Hagel oder Schnee durchsetzt war, schien der Drache mit seiner Geduld allmählich am Ende.
In letzter Zeit hatte Pherol sich immer häufiger von ihren Lagerplätzen abgesondert, um seine Furcht erregenden, sehnigen Muskeln zu spannen oder diese mörderischen Krallen zu wetzen.
Juraviel konnte Pherols Enttäuschung durchaus verstehen. Ihm selbst ging es ähnlich, denn noch immer fehlte jede echte Information über Brynns Verbleib. Ein einziges Mal nur hatte er beim Belauschen von Gesprächen ahnungsloser Menschen einen Hinweis auf diesen geheimnisvollen Mystiker der Jhesta Tu und Brynns angebliche Rettung vom Schlachtfeld vor den Toren Dharyans aufgeschnappt, aber davon abgesehen hatte er nichts wirklich Brauchbares in Erfahrung bringen können. Pherols Enttäuschung war noch viel einfacher nachzuvollziehen. Viele Jahre lang hatte der Drache friedlich vor sich hingeschlummert, und als er beschlossen hatte, die beiden Elfen ans Tageslicht zu begleiten, hatte er dies mit dem Ziel getan, große Abenteuer zu erleben. Bis jetzt zumindest hatte sich diese Hoffnung nicht erfüllt.
Im Licht dieser simplen Erkenntnis erhielt Cazziras Frage für Juraviel einen unheilvollen Beiklang. Pherol war imstande, aus einer Laune heraus jedes der zahllosen Dörfer, die sie gesehen hatten, dem Erdboden gleichzumachen. Es würde einer gut ausgebildeten und bestens ausgerüsteten Armee bedürfen, um den Drachen zu erlegen. Von den vier alten Völkern Koronas verfügten einzig die geflügelten Dämonen über größere individuelle Kraft, und diese Stärke erwuchs aus einer Kombination von Magie und Körperkraft. Aber selbst diese Dämonen vermochten es an schierer Muskelkraft nicht mit den Drachen aufzunehmen. Vor seiner Begegnung mit Pherol hatte Juraviel keinen einzigen zu Gesicht bekommen, und obwohl er immer wieder die Geschichten über die Lindwürmer aus grauer Vorzeit gehört hatte, war der Augenblick, als Pherol aus dem unterirdischen Tunnelsystem ins Freie getreten war und zum ersten Mal seine gewaltigen Flügel gestreckt hatte, ein überwältigendes Erlebnis gewesen. Kaum vorstellbar, zu welchen Zerstörungen er fähig sein würde, wenn etwas seinen Zorn erregte.
Oder Langeweile ihn plagte.
Ein flüchtiger Blick zu dem Drachen schien Juraviel zu bestätigen, dass er in seiner gegenwärtigen Gestalt vor überschüssiger Kraft und Energie beinahe zu bersten schien, so als müsste er jeden Moment wieder seine größere Gestalt annehmen.
Daher verspürte der Elf eine gewisse Erleichterung, als kurz darauf in der Ferne ein Lagerfeuer aufloderte. Cazzira hatte es zuerst bemerkt und machte Juraviel wortlos darauf aufmerksam. Aber bevor die beiden einen Plan aushecken konnten, der Pherol einband, ohne ihn gefährlich nah an den Lagerplatz der Menschen heranzulassen, hatte auch der Drache den fernen Lichtschein bemerkt.
»Gehen wir und sehen nach, wer uns das Land hier streitig macht«, sagte Pherol etwas übereifrig und machte Anstalten, sich federnden Schritts zu entfernen.
»Besser, ich gehe allein oder zusammen mit Cazzira«, erwiderte Juraviel schnell, worauf der Drache stehen blieb, herumfuhr und ein leises Zischen ausstieß.
»Jedenfalls
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