Schattenelf - 4 - Feuerzauber
überschwänglichen Jubel.
Aber Yakim Douan war die Stimme Gottes und durfte nicht in Zweifel gezogen werden.
Und so paradierte an einem strahlend klaren Morgen des zweiten Jahresmonats die Hälfte aller Chezhou-Lei-Krieger, bereits für sich genommen eine beeindruckende Armee, zum Klang von einhundert Hörnern hoch zu Ross durch Jacintha, auf Pferden, die mit leichtem, stolzem Gang die Prachtstraße entlang schritten, bis sie die Stadt schließlich durch das Südtor verließen. Hinter ihnen folgte ein Zwanzigerkarree in Marschformation, dessen Speerspitzen im Licht der frühen Morgensonne blinkten.
Chezru Douan und Kaliit Timig beobachteten den Vorbeimarsch Seite an Seite von einem Balkon des Großen Tempels. »Yatol hat wie immer weise entschieden«, bemerkte Douan.
»Selbstverständlich, Stimme Gottes«, erwiderte der Kaliit eilfertig.
»Mein Mann im Bärenreich, Daweed Kusaad, ist übrigens mit der neuen Königin Jilseponie gar nicht einverstanden«, fügte Douan unvermittelt hinzu, eine Bemerkung, die Timig ziemlich überraschte, denn die Stimme Gottes war noch nie dafür bekannt gewesen, sich mit den Elitesoldaten der Chezhou-Lei über derartige politische Gedanken auszutauschen.
»Sie ist Abellikanerin, müsst Ihr wissen«, fuhr Douan auf Timigs fragenden Blick hin fort. »Ein hochrangiges Mitglied dieser Kirche der Ungläubigen mit der Macht und dem Einfluss eines Abtes.«
Der Kaliit nickte, obschon ihm bislang nichts Derartiges zu Ohren gekommen war und er auch nicht recht verstand, warum es überhaupt von Bedeutung sein sollte.
»Sie war maßgeblich an der Abwehr von Abt Olins Versuch beteiligt, die Führung des Abellikaner-Ordens zu übernehmen, eine Machtübernahme, die die Bande Behrens zu unseren Nachbarn im Norden gewiss gefestigt hätte. Ich fürchte, ihr Hintertreiben seiner Ernennung könnte ein Signal sein, dass König Danube, ihr Gemahl, ein Gerichtsverfahren gegen Abt Olin in Entel einleiten möchte. Auf jeden Fall wird es die Bande zwischen unseren Ländern schwächen.«
Kaliit Timig hatte keine Ahnung, welche Reaktion, wenn überhaupt, von ihm in diesem Moment erwartet wurde. Es war das erste Mal, dass Chezru Douan mit ihm über derartige Dinge sprach, und er war nicht sicher, worauf der Mann hinauswollte.
Doch dann sah Douan ihm mit ernster Miene direkt ins Gesicht. »Sollte König Danube gegen Abt Olin aus Entel vorgehen, werden wir den Mann unterstützen und vielleicht sogar an seiner Seite kämpfen, um die Herrschaft über seine Stadt zu sichern.«
Kaliit Timig riss seine alten, müden Augen auf. »Ihr wollt den Ausläufer des Gebirges umsegeln und bis ins Bärenreich vordringen?«
»So es Yatols Wille ist«, erwiderte der Chezru-Häuptling seelenruhig und richtete sein Augenmerk wieder auf den Vorbeimarsch der Truppen, die auf der Straße unter ihnen vorüberzogen.
Yakim Douan war gut beraten, sein Lächeln in diesem Augenblick zu verbergen. Selbstverständlich hatte er nicht die Absicht, Olin mit etwas anderem als Geld gegen König Danube zu unterstützen, sofern dieser überhaupt plante, offen gegen Olin vorzugehen – eine für Douan geradezu absurde Vorstellung. Bei oberflächlicher Betrachtung aber schien dies alles recht einleuchtend, und indem er die Geschehnisse im Bärenreich gegenüber dem Kaliit etwas drastischer darstellte, als sie tatsächlich waren, lenkte er den alten Mann auf ein anderes Thema, über das er sich den Kopf zerbrechen konnte.
Ein flüchtiger Seitenblick auf den Mann bestätigte ihm, dass er tief in Gedanken war. Bis zu diesem Augenblick war Douan sicher gewesen, Timig sei verärgert, weil nur die Hälfte seiner Truppen auf den Rachefeldzug gehen durfte, doch nun, nach ein paar wohl gezielten Bemerkungen, hatte Douan ihn so weit, dass ihm selbst das womöglich noch zu viel erschien. Denn die stolzen und stets um ihre Ehre besorgten Chezhou-Lei versuchten sich diese vor allem dadurch zu verdienen, dass sie die Yatol-Priester der Chezru beschützten und für strickte Ordnung sorgten.
Was immer Danube gegen ihn selbst oder gegen Abt Olin unternehmen mochte, machte Yakim keine Angst. Und wenn er den Informationen glauben konnte, die Daween Kusaad ihm hatte zukommen lassen, war auch Königin Jilseponie keine nach Eroberungen trachtende Unruhestifterin. Tatsächlich weilte sie zurzeit nur selten im Schloss von Ursal, da der Winter im Jahr des Herrn 842 oben im nördlichen Königreich mittlerweile seinen Höhepunkt erreicht hatte und die gutherzige
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