Schattenelf - 5 - Die Unterwerfung
länger aufrechterhalten! So geht schon, sonst ist diese Begegnung beendet, ehe sie überhaupt begonnen hat!«
Pony wusste genau, dass mehr dahinter steckte; aus ihren Worten glaubte sie herauszuhören, dass Dasslerond sie am Auffinden des Elfentals zu hindern versuchte – vielleicht aus Angst, sie würde später in Begleitung einer Armee zurückkehren. Sie musste eine Entscheidung treffen, und zwar schnell. Lag sie mit allen Touel’alfar im Streit oder nur mit Lady Dasslerond?
Der Anblick Belli’mar Juraviels, der dort neben der Herrin von Caer’alfar stand, das Gesicht eindeutig voller Mitgefühl, half ihr, den richtigen Weg einzuschlagen, und so schwebte sie ohne ein Wort der Erwiderung so schnell es ging zu ihrem ruhigen, dunklen Zimmer in Dundalis und zu ihrer Körperhülle zurück. In der Erwartung, Dasslerond vor sich zu sehen, am Ende gar mit gezücktem Schwert, stürzte sie durch das Portal des Seelensteins zurück in ihren Körper.
Und tatsächlich, Dasslerond war da – sozusagen. Denn nicht nur das Bild der Herrin von Caer’alfar, auch die viele Meilen entfernte Gebirgslandschaft war erhalten geblieben, fast so, als wären die beiden Orte plötzlich, in einer Verzerrung der Entfernungen, miteinander verschmolzen.
Sogar Juraviel war da; er reichte ihr die Hand, und Pony ergriff sie, ohne auch nur darüber nachzudenken.
Und schon hob sie abermals ab, jedoch nicht als Geist auf Wanderschaft. Irgendwie schien sie sich körperlich über die unzähligen Meilen hinwegzubewegen; der Grund dafür, erkannte sie, war offenbar Dassleronds magischer Stein.
Im Nu stand sie hoch oben auf einem windumtosten Bergpass unweit von Andur’Blough Inninness, Dasslerond und Juraviel an ihrer Seite. Erst jetzt dämmerte Pony, dass man sie hinters Licht geführt hatte.
Erst jetzt begriff sie, dass Lady Dasslerond ihre Absicht durchschaut hatte und ihr zuvorgekommen war. Außer dem Seelenstein trug sie keinen weiteren Edelstein bei sich, ja, sie hatte nicht einmal ihr Schwert dabei.
Sie wandte sich zu Dasslerond um, der Verkörperung der eigentlichen Kraft der Touel’alfar.
16. Drei Wege zum Erfolg
Roger war klug genug, sich nicht unter der Kapuze seines Reiseumhangs zu verstecken, als er an diesem windigen Spätherbstabend durch die Straßen von Palmaris schlenderte. Er wusste, keine Tarnung war oft die beste Tarnung, daher spazierte er ganz offen und scheinbar völlig gelassen durch den Eingangsbereich des Stadttores von Palmaris.
Dabei war er alles andere als gelassen.
Er befand sich in jener Stadt, die er viele Jahre lang seine Heimat genannt hatte, einer Stadt, in der er der herrschenden Hierarchie angehört hatte und sogar für Jilseponie eingesprungen war, als diese in den Süden ging, um Danubes Königin zu werden. Jetzt aber war Palmaris nicht mehr sein Zuhause. Ganz im Gegenteil. Die Stadt war in Aufruhr, die Einwohner verunsichert und durcheinander. Aydrian hatte sich hier niedergelassen und die Herrschaft über die Stadt an sich gerissen, so wie der verhasste De’Unnero die Abtei St. Precious in seine Gewalt gebracht hatte – alles angeblich mit dem Segen von Bischof Braumin Herde, was eindeutig am verwirrendsten war. Roger Flinkfinger war sich darüber im Klaren gewesen, dass man ihn hier nicht mit offenen Armen empfangen würde – deshalb hatte er sich unter dem Wagenchassis eines nichts ahnenden Bauern hängend in die Stadt eingeschlichen.
Immer wieder versuchte er sich einzureden, dass er nur diese eine Nacht überstehen musste, ja, nicht einmal die ganze, vorausgesetzt, Bradwardens Plan funktionierte.
Er passierte die Wachhäuschen und Kasernen, die die Stadtmauer säumten und die nun, nachdem der größte Teil der ehemaligen Garnison nach Vanguard geflüchtet war, ausschließlich mit Soldaten aus Ursal belegt waren. Was für Roger in gewisser Hinsicht von Vorteil war, da ihn – anders als die Soldaten aus Palmaris – keiner der Männer wiedererkennen würde.
An diesem Abschnitt der Stadtmauer befanden sich auch die städtischen Stallungen, riesige, in Boxen unterteilte Scheunen, die Platz für Hunderte Pferde boten. Roger kannte sich in dieser Gegend gut aus und wusste, wo die Garnisonskommandanten die edelsten Tiere untergebracht hatten. Am westlichen Ende des Stallbereichs schnappte er sich einen Eimer und bewegte sich auf dem Gelände mit einer Vertrautheit und Ungezwungenheit, als gehörte er dorthin. Schließlich betrat er mit angehaltenem Atem den eigentlichen Scheunenbereich und
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