Schattenelf - 5 - Die Unterwerfung
sich durch diesen Augenblick der Ruhe bietende Gelegenheit, um an das Gatter zu treten, es blitzschnell zu entriegeln und aufzureißen. Symphony trat ganz nah zu Roger, rieb seine Schnauze an ihm und schien sofort ruhiger zu werden.
Roger sah zu einem der Soldaten, der ihm ein Halfter zuwarf. Er begann, es dem Tier überzustreifen, hielt dann aber inne, um den Kopf des Pferdes zu streicheln – und Symphony die Möglichkeit zu geben, weiter aus der Box herauszutreten.
Roger tat, als wollte er ihm das Halfter endgültig überstreifen, und beugte sich vor, um dem Pferd scheinbar beruhigend ins Ohr zu flüstern. Aber das war mitnichten seine Absicht, ganz im Gegenteil – vielmehr spornte er Symphony an, Reißaus zu nehmen.
Plötzlich wich Roger zurück und stieß dabei einen Schrei aus, als hätte er sich verletzt, worauf Symphony an ihm und den drei verblüfften Soldaten vorüberschoss. Gesenkten Kopfes galoppierte der Hengst aus dem Stallgebäude und rannte schnaubend über das Gelände.
»Haltet ihn! So fangt ihn doch wieder ein!«, schrie Roger, wohl wissend, dass keiner von ihnen dieses prächtige Tier einholen würde. Immerhin gelang es ihm, die Soldaten mit seiner List von sich abzulenken, die dem Pferd laut rufend hinterherrannten.
»Lauf, Symphony, lauf«, feuerte ihn Roger leise an. »Folge dem Ruf des Zentauren und geh zurück zu jemandem, der deiner würdig ist.« Er hielt einen Augenblick inne, lauschte angestrengt und schöpfte wieder etwas Hoffnung, als der Tumult sich von den Stallungen entfernte und Richtung Eingangstor verlagerte.
Unmittelbar darauf ergriff der klein gewachsene Mann klugerweise selbst die Flucht. Er rannte durch die Seitentür des Stallgebäudes ins Freie und tauchte im Schatten eines anderen mächtigen Baumes unter – zumindest hatte er das vor.
»Meister Flinkfinger?«, erklang unmittelbar hinter ihm ein Ruf, und obwohl er die Stimme nicht sofort wiedererkannte, wusste Roger, dass die Frage Ausdruck der Überraschung war und nicht auf Klärung seiner Identität abzielte. Er erstarrte, blieb stehen, drehte sich langsam um und blickte in das völlig verblüffte Gesicht des alten Illthin Dingle, eines der Gärtner auf Chasewind Manor.
»Master Flinkfinger!«, rief der alte Mann erneut, nachdrücklicher diesmal. »Ich dachte, Ihr wärt längst mit Jilseponie nach Norden gegangen.«
Roger hielt einen Finger an die Lippen, in der Hoffnung, den Mann ein wenig zu beruhigen, und sah sich nervös um. »Dort war ich auch, Meister Dingle, aber jetzt bin ich zurück, um den König aufzusuchen, ihren Sohn.«
Illthin neigte sein bleiches, mit grauen Bartstoppeln übersätes Gesicht misstrauisch zur Seite. Er trug sein Haar lang und zu einem grauen Pferdeschwanz gebunden, was dem alten Mann ein unbekümmertes Aussehen verlieh, das recht gut zu seinem oft unberechenbaren Charakter passte. »Da müsst Ihr Euch schon was Besseres einfallen lassen, Meister Flinkfinger«, erklärte Illthin mit einem wissenden Grinsen.
Roger sah sich nach allen Seiten um, ehe er eine entspanntere Haltung einnahm. »Ihr habt Recht«, gestand er. »Ich bin wegen Symphony zurückgekommen, aus keinem anderen Grund.«
»Was Ihr nicht sagt!«
»Aber ja. Symphony ist nicht das Pferd des neuen Königs, auch wenn er seiner würdig sein mag …«
»Das glaubt Ihr doch wohl selbst nicht!«, erwiderte Illthin mit einem schnarrenden Lachen.
»Symphony ist nicht das Pferd des neuen Königs«, wiederholte Roger.
»Oh, das will ich gerne glauben«, sagte Illthin. »Es ist der andere Teil, er könnte seiner würdig sein …«
Roger straffte die Schultern, ohne sich ansonsten eine Reaktion anmerken zu lassen.
»Viele denken so«, erklärte der alte Illthin. »Trotz der Äußerungen Bischof Braumins. Merkwürdige Geschichte. Ich hätte nie gedacht, dass Braumin sich auf die Seite dieses Burschen schlagen würde! Nicht, nachdem er mit ansehen musste, wie seine Männer bei dem Kampf an der Südmauer ums Leben kamen.«
»Und was hat Bischof Braumin nun gesagt?«
»Er hat sich zugunsten des Königs ausgesprochen – einen rechtmäßigen und gesetzmäßigen König hat er ihn genannt«, antwortete Illthin. »Und was diesen Abt De’Unnero von St. Precious betrifft – der ist doch der Schlimmste von allen!«
Roger Flinkfinger hörte schweigend zu. Er zweifelte nicht daran, dass Illthins Äußerungen der Wahrheit entsprachen, zumal es Roger, dem der Umgang mit der Magie der Steine alles andere als fremd war, nicht schwer
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