Schattenelf - 5 - Die Unterwerfung
funkelnden Smaragd in die Höhe, den Stein von Caer’alfar, der den Elfen beim ersten Auftauchen des geflügelten Dämons von Terranen Dinoniel überreicht worden war. Der Smaragd war einer der phantastischsten dieser verzauberten Steine und gleichzeitig einer der seltensten. Sicher gab es auf der ganzen Welt keinen zweiten Stein wie den von Lady Dasslerond; während die magischen Kräfte der anderen auf Pimaninicuit eingesammelten Smaragde gerade mal ausreichten, um jemandes Schritte zu beschleunigen, war Lady Dassleronds Stein Bestandteil der Erde selbst, ein Stein, der sie mit dem Boden unter ihren Füßen verband. Mit seiner Hilfe vermochte sie Entfernungen zu verzerren, was es ihr erlaubte, mit einem einzigen Schritt gewaltige Strecken zurückzulegen. Mit seiner Hilfe konnte sie die Gräser und Felder spüren und die Tiere, die dort lebten.
Und vielleicht sogar die Geister, die über ihnen schwebten.
»Sie sucht uns«, wiederholte Lady Dasslerond. »Natürlich weiß sie mittlerweile von Aydrians Existenz und wird darüber nicht erfreut sein.«
»Etwas anderes war wohl kaum zu erwarten«, erwiderte Juraviel, der, ausgestattet mit einem feinen Gespür für Dassleronds Dilemma und ihre Ängste, gut daran tat, seine Erleichterung darüber, dass Pony noch lebte, nicht offen zu zeigen.
»Sie ist ein Mensch«, sagte Lady Dasslerond mit der für sie typischen Verachtung für alle, die sie einer minderen Art zurechnete. »Sie wäre nicht einmal ansatzweise imstande, zu begreifen, welch tieferer Sinn, welch größere Verheißung sich mit ihrem Sohn verbindet.«
»Und welch noch monströseres Versagen«, wagte Juraviel hinzuzufügen, was ihm einen scharfen Blick seiner Herrin eintrug.
»Aydrian allein gab uns die Hoffnung, Andur’Blough Inninness vom Schandmal des geflügelten Dämons befreien zu können, an dem es sonst zweifellos zugrunde gehen würde«, konterte Dasslerond. »Auslöser dieses Verfalls war die Selbstlosigkeit, mit der wir den Menschen damals geholfen haben. Wir haben uns für sie aufgeopfert.«
»Ich kann mich noch gut daran erinnern«, musste Juraviel zugeben, denn schließlich war es Lady Dassleronds Rettungsaktion für Juraviel und die Gruppe von Flüchtlingen gewesen, die den geflügelten Dämon damals überhaupt erst in das Elfental gebracht hatte.
»Und nun verlangen wir von einem der ihren ein Opfer«, fuhr Dasslerond fort. »Würde Elbryan, Aydrians Vater, etwa nicht selbstlos handeln, um Andur’Blough Inninness zu retten? Seine Mutter ganz gewiss nicht, Elbryan dagegen –«
»Jilseponie würde es tun«, widersprach Juraviel entschieden. »Ihr hattet schon immer ein falsches Bild von ihr und habt sie unterschätzt. Hätte man es von ihr verlangt, sie hätte sich bereitwillig für die Touel’alfar aufgeopfert. Und in puncto Charakterstärke ist sie ebenso mit Leib und Seele Hüterin wie die anderen, die wir ausgebildet haben.«
Es war Lady Dassleronds Miene deutlich anzusehen, dass sie diese Auseinandersetzung mit Juraviel wirklich nicht schon wieder führen wollte. Nicht hier und nicht jetzt.
»Aber sie sucht uns wohl kaum, weil sie uns helfen möchte«, lautete Dassleronds trockener Kommentar.
»Sie hat die Wahrheit über Aydrian erst vor kurzem erfahren«, erwiderte Juraviel. »Deshalb möchte ich nicht widersprechen.«
»Wem? Ihr oder mir?«, fuhr Lady Dasslerond ihn an. Ihr aufbrausender, ganz und gar untypischer Zorn verriet Juraviel, wie nervös und gereizt sie dies alles machte.
»Eurer Einschätzung«, erklärte Juraviel, ohne jedoch hinzuzufügen, dass er eventuell auch für Ponys Zorn ein gewisses Verständnis aufzubringen vermochte. Schließlich war dieser Zorn nicht völlig unverständlich. Wie sollte jemand, der so über den Verbleib seines eigenen Kindes getäuscht worden war, nicht wütend reagieren?
»Sie wird die Suche nach uns nicht aufgeben«, sagte Dasslerond. »Und irgendwann wird sie den Weg nach Andur’Blough Inninness finden.«
»Im Geiste«, erwiderte Juraviel.
»Und was sollte sie daran hindern, uns anschließend auch ganz real zu finden?«, fragte die Herrin von Caer’alfar. »Und sich womöglich gar mit Aydrian zu verbünden, um ihm den Weg nach Hause zu zeigen?«
»Das wird sie nicht tun«, widersprach Juraviel.
»Auf jeden Fall ist es ein Risiko, das wir auf keinen Fall eingehen können.«
»Was wollt Ihr also tun, Lady Dasslerond?«, fragte Juraviel, in dessen Kopf sämtliche Alarmglocken schrillten. Er wusste, wie kalt und unbarmherzig
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