Schattenelf - 5 - Die Unterwerfung
erweisen würde.
Kurz darauf hatte Braumins Geist den untröstlichen Meister gefunden; er näherte sich ihm, wohl wissend, dass er ihm kaum mehr als ein wenig Trost spenden konnte. Markwart hatte die Edelsteine einst dazu benutzt, über viele Meilen hinweg Kontakt zu anderen aufzunehmen. Auch Jilseponie beherrschte diese Technik mit gewissen Einschränkungen, nicht aber Braumin. Er war im Umgang mit den Steinen nie sonderlich bewandert gewesen, daher konnte er jetzt nichts weiter tun, als sich Viscenti zu nähern und sich mit Herz und Seele auf das zu konzentrieren, was er gesehen hatte, in der Hoffnung, dem Meister einen gewissen Eindruck von der Stärke Aydrians zu vermitteln.
Viscenti reagierte auf Braumins Gegenwart, indem er plötzlich aufsprang und die Augen aufriss.
Braumin rief ihm etwas zu und konzentrierte sich dann ganz auf die Bilder von Aydrians erstaunlichen Fähigkeiten.
Er hielt die Verbindung aufrecht, so lange es ging, ohne auch nur die leiseste Ahnung zu haben, wie viele zusätzliche Informationen er Viscenti während dieses einseitigen Austauschs übermittelte.
Eine Stimme riss ihn aus seiner Konzentration.
Braumin wandte sich abrupt um und hätte fast das Gleichgewicht verloren, denn vor ihm stand Marcalo De’Unnero, ein schiefes Grinsen im Gesicht, einen Arm verwandelt in die blutverschmierte Pranke eines Tigers.
»So sehen wir uns also wieder, Bruder Braumin«, begrüßte ihn De’Unnero.
»Das Böse ist offenbar unausrottbar«, erwiderte der Bischof.
»Das möchte ich eher von Eurer Torheit behaupten«, sagte De’Unnero lachend. »Muss ich Euch erklären, dass es der König des Bärenreiches für geraten hält, Euch Eures Amtes als Bischof von Palmaris zu entheben?«
Braumin machte Anstalten, etwas zu erwidern, aber es fehlten ihm die rechten Worte, deshalb stand er einfach nur da und schüttelte den Kopf.
»Ihr wisst selbstverständlich, wer er ist«, fuhr De’Unnero fort. »Und Ihr wisst auch, dass Herzog Kalas seine Thronbesteigung nach bestem Wissen und Gewissen verkündet hat. Jilseponie war hier und hat Euch davon berichtet.«
»Sie hat mir die Wahrheit über diesen Aydrian, dieses Ungeheuer in Menschengestalt, erzählt«, erwiderte Braumin.
»Die Wahrheit?«, sagte De’Unnero nachdenklich, trat durch die Tür und machte einen Schritt zur Seite. »Ein ziemlich fragwürdiger Begriff. Ständig werden so viele Wahrheiten verkündet, ist es nicht so? Die Wahrheit von Markwart, die Wahrheit von Avelyn, die Wahrheit von Abtvater Fio Bou-raiy. Nun, im letzteren Fall könnte Abt Olin möglicherweise anderer Meinung sein.«
»Es steht ihm nicht zu, anderer Meinung zu sein als das Abtkollegium.«
»Da es sich zweifellos um ein unfehlbares Gremium handelt«, sagte De’Unnero. »Dies ist Eure Wahrheit, Bruder Braumin: Aydrian, Sohn von Jilseponie und Elbryan, ist König des Bärenreiches. Der Adel unterstützt ihn, ebenso die Armee und erst recht die Kirche.«
Braumin starrte ihn ungläubig an.
»Oh, nicht die hochstaplerische Kirche Fio Bou-raiys und des auf Abwege geratenen Braumin Herde. Sondern die wahre abellikanische Kirche, die nach dem Unglück mit Namen Avelyn wieder auferstanden ist. Aydrian ist König des Bärenreiches. Das, Bruder Braumin, ist die Wahrheit.«
Braumin schien den verhassten De’Unnero mit seinem Blick durchbohren zu wollen.
»Es ist eine Schande, dass Ihr das nicht einzusehen vermögt«, fuhr De’Unnero fort. »Dass wir Feinde sind, habt Ihr Euch allein selbst zuzuschreiben.«
Braumin hätte ob dieser Bemerkung beinahe laut aufgelacht.
»Ich hasse Euch nicht, Bruder, obwohl ich weiß, dass Ihr auf einem Irrweg seid«, sagte De’Unnero. »Ich biete Euch jetzt die Chance, Euer Tun noch einmal zu überdenken und Euch zu der erhabeneren abellikanischen Kirche zu bekennen, die es früher einmal gab.«
»Verschont mich mit Euren Lügen!«, fiel ihm Braumin ins Wort, und als De’Unnero daraufhin abermals lachte, fügte er hinzu: »Und mit Eurer angeblichen Gnade!«
Braumin wollte losstürmen und sich auf den Mönch werfen, obwohl er genau wusste, dass es für De’Unnero ein Leichtes wäre, sich seiner zu entledigen, doch dann betrat eine weitere Person den Raum, und er hielt abrupt inne.
»Begrüßt Euren neuen König«, stellte De’Unnero, dem der Angriffsversuch nicht einmal ein Wimpernzucken wert gewesen war, den Mann vor.
»Seid gegrüßt, Bruder Braumin«, sagte Aydrian. »Ich habe schon viel von Euch gehört.«
»Hebt Euch Eure
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