Schattenelf - 5 - Die Unterwerfung
Schmeicheleien für jene auf, die nicht begreifen wollen, wer Aydrian wirklich ist«, konterte Braumin mit aller ihm zur Verfügung stehenden Heftigkeit, obwohl ihn der Anblick des jungen Königs in seiner silbern glänzenden und goldgesäumten Rüstung mit ihren funkelnden, in den Brustharnisch eingelassenen Edelsteinen zutiefst verunsicherte. »Wie könnt Ihr es wagen, als Eroberer herzukommen?«
»Wie könnt Ihr es wagen, mir den Einlass zu verweigern?«, erwiderte Aydrian ruhig.
»Wenn Ihr der rechtmäßige König seid, habt Ihr von uns nichts zu befürchten, denn sobald Prinz Midalis Euch akzeptiert, werden die Bewohner von Palmaris –«
Braumin, unfähig zu atmen, brach unvermittelt ab, als sich eine unsichtbare Hand um seinen Hals legte. Der magische Griff packte mit ungeheurer Kraft zu, schnürte ihm brutal die Luft ab und hob ihn sogar auf die Zehenspitzen.
Im ersten Moment glaubte Braumin, sein letztes Stündlein habe geschlagen, doch plötzlich entließ ihn Aydrians magische Hand wieder aus ihrem Griff. Er wäre fast gestürzt, und fasste sich mit den Händen an die Kehle.
»Bruder Braumin«, begann Aydrian in ruhigem, sehr bestimmtem Ton. »Die Bevölkerung von Palmaris und das Volk des Bärenreiches werden mich entweder als König akzeptieren, oder sie werden beseitigt werden. So einfach ist das.«
»Ermordet, wolltet Ehr wohl sagen«, stieß Braumin keuchend hervor.
»Es ist die Pflicht eines Königs, sein Königreich zu verteidigen«, warf De’Unnero ein.
»Ihr könntet aber dazu beitragen, diese Tragödie zu verhindern«, erklärte Aydrian. »Es muss nicht zwangsläufig mit Gewaltanwendung und Tod enden.«
Braumin hob den Kopf und sah ihn an, während sich die Augen des nun ehemaligen Bischofs zu schmalen Schlitzen verengten. »Mit Euren Machenschaften wollt Ihr nur meine Zustimmung erpressen, in der Hoffnung, Palmaris trotz aller Zweifel zu sichern, die gewiss noch zunehmen werden, sobald der rechtmäßige König von Vanguard aus nach Süden marschiert«, stieß er seine Schlussfolgerung Wort für Wort und mit äußerster Verachtung hervor. »Aus meinem Mund werdet Ihr kein Wort zur Unterstützung eines Thronräubers hören!«
Aydrian lächelte und sah erst De’Unnero an, dann wieder Braumin, ehe er, ein immer breiter werdendes Grinsen im Gesicht, einen grauen Stein von der gleichen Farbe wie der in Braumins Hand in die Höhe hielt.
»Ihr werdet genau das sagen, was Aydrian von Euch verlangt«, erwiderte De’Unnero.
Teil Zwei
Eine rätselhafte Hand greift um sich
Die Stimme war bei mir auf dem Schlachtfeld und sagte mir, was ich zu tun hätte. Es war dieselbe Stimme, die ich bereits im Spiegel des Orakels gehört hatte.
Ich weiß bis heute nicht, von wem sie stammt!
Von den Touel’alfar habe ich gelernt, dass Menschen nicht unsterblich sind. Ich bin also dazu verdammt zu sterben, sowohl mein Körper als auch mein Bewusstsein. Ich selbst und alle meine Artgenossen werden dereinst wieder im Nichts versinken. Und doch haben mir die Touel’alfar gleichzeitig den Umgang mit dem Orakel beigebracht, jenen meditativen Zustand, der es mir erlaubt, meinen Weg durch das Dunkel zu finden. Angeblich werde ich beim Orakel von meinen Vorfahren angeleitet, von Elbryan, dem Nachtvogel, meinem Vater. Aber wenn Elbryan gar nicht mehr existiert, wenn sein Bewusstsein verloren ist, zerfallen wie sein Körper, wie kann ich dann später noch mit ihm Verbindung aufnehmen? Oder tue ich das gar nicht? Ist das Orakel am Ende nur ein Ort, der mir einen tieferen Einblick in meinen eigenen Verstand ermöglicht? Zumindest glaubte ich das ursprünglich. War meine Vermutung womöglich von Anfang an richtig gewesen ?
Genau das ist es, was mich so verwirrt, denn aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Elbryans Bewusstsein weiterlebt.
Als ich sein Grab aufsuchte und Anspruch auf Sturmwind und Falkenschwinge erhob, ist es mir gelungen, diesen Geist zu kontaktieren und zum Leben zu erwecken. Um ein Haar hätte ich ihn vollständig aus dem Reich des Todes befreit, was mir gewiss auch gelungen wäre, wenn ich mich entschieden hätte, diesen Weg weiterzuverfolgen.
Ist es vielleicht so, dass die Seele weiterexistiert, jedoch im Nichts gefangen ist, sofern kein Lebender sie erlöst, so wie beim Orakel oder an jenem Tag auf dem kalten Feld vor Elbryans Grab? Werden wir im Tod zu vagen, kauernden, in der Falle hockenden Gestalten, bloßen Schatten unseres früheren Seins, darauf angewiesen, dass ein bewusst und aus
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