Schattenelf - 5 - Die Unterwerfung
Wahrscheinlich ist Marcalo De’Unnero ganz in der Nähe, und wenn nicht er, dann ganz gewiss Herzog Kalas. Er kennt mich. Wenn ich mich in Caer Tinella oder Landsdown blicken lasse, komme ich bestimmt nicht so schnell zurück.«
»Was anderes wird uns wohl nicht übrig bleiben.«
»Uns?«
»Na, jedenfalls dir. Wir brauchen dringend mehr Informationen, wenn wir bis nach Palmaris kommen und dort irgendwas bewirken wollen«, erklärte der Zentaur.
»Dann schleichen wir uns in die Außenbezirke und versuchen dort in Erfahrung zu bringen, was wir können«, schlug Roger vor. »Wachposten geben gerne an und können nichts für sich behalten. Ich gehe hinunter und suche mir in der Nähe einer Gruppe ein Versteck, dann werden wir alles erfahren, was wir wissen müssen.«
Als er geendet hatte, schnippte er mit den Fingern, lächelte Bradwarden noch einmal zu und wollte sich dann Richtung Ortschaft entfernen.
»Du wirst mitten in den Ort hineingehen«, wies Bradwarden ihn an. »Geh zum Schankraum in Caer Tinella; dort wirst du bei einem Gläschen mehr zu hören bekommen als bei den halb erfrorenen und schlecht gelaunten Posten in einer ganzen Nacht.«
Roger starrte Bradwarden an, doch dessen Miene duldete keinerlei Widerspruch.
Mit einem Seufzer machte sich der klein gewachsene Mann auf den Weg.
Er ließ die Kapuze seines Umhangs hochgeschlagen, zog sie aber nicht so tief ins Gesicht, dass es so aussah, als wollte er nicht erkannt werden. Roger war schon immer ein ziemlich einfallsreicher Bursche gewesen; in den Zeiten des Großen Krieges hatte er all sein Geschick im Sichunsichtbarmachen und Klauen sowie sein überzeugendes Auftreten dazu benutzt, eine Gruppe von Flüchtlingen aus eben diesen Ortschaften in ein sicheres Versteck zu bringen und mit Lebensmitteln zu versorgen. Bevor Elbryan und Pony gekommen waren, um die vom Glück verlassene Schar der Dörfler in einem größeren Verband gegen die Günstlinge des geflügelten Dämons zu führen, hatte Roger Flinkfinger für sie und ihre Sicherheit gesorgt, meist, indem er irgendwelche Pauris austrickste.
Aber das waren bloß Pauris gewesen – zu allem entschlossene und zähe Zwerge, gewiss, trotzdem …
Hier jedoch hatte er es mit Marcalo De’Unnero zu tun.
Schon der Gedanke an diesen Mann ließ Roger einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen. Sollte De’Unnero sich tatsächlich hier befinden und Roger zufällig erkennen, dann vermochte nichts auf der Welt ihn noch zu retten, nicht Bradwarden und auch nicht Pony.
Je länger er sich durch die Straßen Caer Tinellas bewegte, in denen mehr Soldaten als Bürger unterwegs waren, desto mehr ließ seine Befangenheit nach. Schließlich war er hier zu Hause; dies war der Ort, an dem er aufgewachsen war.
Er näherte sich dem Schankraum, wie Bradwarden es ihm aufgetragen hatte, aber als er vor der Tür stand, musste er feststellen, dass das Lokal nahezu menschenleer war. Einer Eingebung folgend bog Roger links ab und lief mit hastigen Schritten eine Seitenstraße entlang, die ihn zum Haus eines alten Freundes führte.
Als auf sein leises Klopfen niemand antwortete, sah er sich kurz um, um sich zu vergewissern, dass er nicht beobachtet wurde, dann knackte er lautlos das Türschloss und schlüpfte hinein. Nichts im Haus deutete auf einen überhasteten Aufbruch hin, und als er Teile der Rüstung des Mannes sowie ein prachtvolles Schwert seitlich am offenen Kamin lehnen sah, war sich Roger ziemlich sicher, dass sein Freund die Stadt nicht verlassen hatte.
Was auch nur logisch wäre, das wusste Roger, da es überhaupt nicht zu dem Besitzer dieses Hauses, Captain Shamus Kilronney, gepasst hätte, sich vor einem Kampf zu drücken.
Roger ging nach nebenan ins Wohnzimmer, ließ sich in einen Sessel fallen, der unmittelbar vor dem kalten Kamin stand, und wartete.
Ein, zwei Stunden verstrichen, und Roger wurde immer nervöser. Schon begann er sich zu fragen, ob Shamus vielleicht etwas zugestoßen war. Hatte er zu lautstark gegen den neuen König protestiert und war in eine Gefängniszelle geworfen worden?
Gerade hatte sich Roger dazu durchgerungen, zu gehen und es herauszufinden – er war sogar schon von seinem Platz aufgestanden und befand sich auf dem Weg zur Tür –, als diese plötzlich aufgestoßen wurde und ein überaus erschöpft wirkender Shamus Kilronney ins Zimmer trat. Er warf seinen Hut gleich neben dem Eingang auf den Tisch und zog einen Stuhl heran, als wollte er sich hinsetzen, ehe er unvermittelt
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