Schattenengel (Contoli-Heinzgen-Krimi)
zusammensackenden Körper aufzufangen. Hauff hatte sich das kleine Scharmützel zunutze gemacht und stand im nächsten Moment mit gezogener Waffe, die Kampfanzüge in seinem Rücken, vor Fabio, der seine wimmernde Mutter festhielt.
„ Lasst meine Mutter in Ruhe, ihr verdammten Bullen!«, brüllte Laura unvermittelt los. Und abermals staunte Anke über die zierliche Person, in der so viel Energie steckte, und wie sich zeigte, auch derbes Vokabular .„ Lasst sie bloß in Ruhe! Sie weiß nicht, was tut! Sie weiß gar nichts!«
Lauras Stimme war so laut und schrill geworden, dass es Anke in den Ohren schmerzte. Rasch, ohne Fabio und seine Mutter aus den Augen zu lassen, schritt Anke zu der verzweifelten Laura, die zwischen den beiden zupackenden Beamten zappelte wie ein Fisch an der Angel. Nur Paola, von dem anderen Polizisten bewacht, verharrte bewegungslos und starrte auf das Bild vor sich, als würde sie nichts mehr verstehen. Vor ihr spielte sich eine Pattsituation ab. Fabio hielt sein Gewehr auf die Beamten und diese auf ihn und seine Mutter.
„ Alles wird gut«, versuchte Anke, Laura zu beruhigen. Aber diese blickte sie an, als zweifle sie. Es hat keinen Zweck. Ich rede ja auch Blödsinn.
„ Was ist mit Wolf Heinzgen!«, wollte Anke mit kräftiger Stimme erneut von Koll wissen. Sofort bekam sie von Hauff Unterstützung. Fabio Koll blieb auch dieses Mal eine Antwort schuldig. Anke glaubte, es hinter seiner Stirn rattern zu hören, derart angestrengt schien er zu überlegen, wie er diese Lage für sich meistern konnte. Auf einmal hellte sich sein Gesicht kaum merklich auf.
„ Euer Therapeut?«, lachte er plötzlich los, als würde er sich erst in dieser Sekunde an ihn erinnern. „Er ist an einem für euch unauffindbaren Ort in Sicherheit«, gab er unpassend zur allgemeinen Situation beinahe feierlich bekannt. „Und wenn ihr mich hindert, hier wegzukommen, mich gefangen nehmt oder gar tötet, wird er verdursten und verhungern. Klartext: Er wird sterben. Denn ich bin der Einzige, der weiß, wo er ist und ihn retten kann«, setzte er mit Deutlichkeit nach.
Oh mein Gott. Blufft Koll?
„Und ich bluffe nicht, verschwendet nicht einen Gedanken daran.«
Als könne er in meinen Kopf sehen.
Kaum hatte er seinen Satz beendet, schrie Laura aus vollem Herzen ihrem Bruder zu: „Du kannst ihn nicht sterben lassen! Ich muss ihm noch so vieles sagen!«
Und Anke setzte sofort hinterher: „Und ich auch! Aber ich glaube eher, Sie wollen ihn gar nicht retten! Er weiß doch viel zu viel? Sie müssen ihn umbringen!«
„ Nein!«, schrie Laura dazwischen.
„ Wie Sie Ihren Vater umgebracht haben. Und die Drogendealer!?«, schleuderte Anke nach.
Mach keinen Fehler
„Aber das stimmt doch überhaupt nicht!« mischte sich Laura von Neuem ein. „Und ich muss auch Dr. Heinzgen noch die volle Wahrheit sagen! Er muss es wissen und ich muss es mitteilen, endlich aussprechen können!« Ich muss ...!« Sie atmete durch. „Und Mutter sollte letztlich auch die Wahrheit kennen, selbst wenn sie es nicht mehr begreift.«
Lauras Bewacher hatte seinen Griff gelockert.
„ Dr. Heinzgen«, fuhr Laura fort, „hat mir unendlich geholfen!« Ihre Stimme wechselte in einen kummervollen Ton, dass sich niemand rührte. Keiner schien auch nur durch die geringste Bewegung etwas unvorhergesehen Dramatisches auslösen zu wollen.
In einiger Entfernung tauchten die Lichtkegel mehrerer Taschenlampen auf, die sich zögernd vorbewegten.
„ Deine Männer?«, wollte Anke sofort von Hauff wissen. Dumme Frage, die würden sich bestimmt nicht unter Beleuchtung nähern. Anke beobachtete die Lichtkegel. Wahrscheinlich durch die Schüsse hervorgelockte Bewohner der umliegenden Höfe. Zaghaft kristallisierten sich Gestalten heraus, die sich, und das war gut so, im Rücken Fabios den Weg entlang schoben.
Hoffentlich war einer von denen auf die Idee gekommen, die Polizei anzurufen. Wir brauchen dringend Verstärkung. Die Anwohner würden noch ihren Enkeln erzählen, was sich hier oben, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, abgespielt hat. Mitten zwischen ein paar Höfen, Feldern und Pferden.
Fabio Kolls barsche Stimme holte Anke in die schmerzhafte Realität zurück.
„ Und nun lassen Sie meine Schwestern gehen, und zwar ohne polizeiliche Begleitung!«
Keiner bewegte sich.
„ Die beiden Frauen, auf der Stelle!«
Noch immer geschah nichts.
„ Sie wollen doch den netten Therapeuten lebend wiedersehen, oder?«
Anke stieß einen
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