Schattenfall
schlichten ließ, hatten sich die Kaiserlichen Ordensleute eingemischt, die sich – wie alle Hexenmeister – für die besten Kartografen und Mathematiker hielten. Daraus hatte sich ein bürokratischer Kleinkrieg entwickelt, wie er sich am Hofe seines Onkels nicht schlimmer hätte zutragen können, bis die unberechenbare Alchimie aus verletztem Stolz und Gehässigkeit zur Ermordung des Erathius, des freimütigsten kaiserlichen Kartografen, geführt hatte.
Als die anschließende Untersuchung weder den Mord klären noch den Streit hatte beilegen können, hatte Conphas ohne viel Federlesens den lautstärksten Vertreter jeder Fraktion gepackt und die Streithähne unter Verweis auf nicht eben einschlägige Paragraphen des Militärgesetzbuchs öffentlich auspeitschen lassen. Tags darauf waren die Differenzen erwartungsgemäß ausgeräumt.
Hatte diese ärgerliche Angelegenheit seine Begeisterung schon getrübt, so hatte die Rückkehr nach Momemn sie ihm fast völlig genommen. Er musste feststellen, dass ein Großteil derer, die dem Aufruf zum Heiligen Krieg gefolgt waren, vor den landeinwärts gerichteten Mauern der Hauptstadt ihr Lager aufgeschlagen hatten und dort nun ein riesiges Elendsquartier aus Zelten und Hütten stand. So beunruhigend dieser Anblick auch war – Conphas hatte dennoch damit gerechnet, bewundernde Massen würden ihn bejubeln. Stattdessen hatten ungepflegte Inrithi-Horden Beleidigungen gegrölt, Steine geschleudert und einmal sogar brennende Säcke mit getrocknetem Kot geworfen. Als er seine Kidruhil vorgeschickt hatte, um den Weg freizumachen, hatte sich daraus etwas entwickelt, das sich nur als offene Schlacht bezeichnen ließ. »Die sehen in Euch bloß den Neffen des Kaisers«, hatte ihm ein von seinem Onkel gesandter Bote erklärt, »nicht den Mann, der die Scylvendi bezwungen hat.«
»Hassen sie meinen Onkel denn so sehr?«
Der Bote hatte die Achseln gezuckt. »Ehe ihre Herren nicht dazu bereit sind, seinen Vertrag zu unterschreiben, gibt er ihnen nur so viel Getreide, dass sie nicht verhungern.«
Die Menge derer, die vor den Toren der Stadt versammelt waren, so hatte der Bote ihm berichtet, vergrößerte sich täglich um Hunderte von Menschen – und zwar trotz der Gerüchte, die großen Heere aus Galeoth, Ce Tydonn, Conriya und Ainon würden erst in ein paar Monaten eintreffen. Bisher waren erst drei Hohe Herren zu den vor Momemn lagernden Männern des Stoßzahns gestoßen: Calmemunis, der Statthalter von Kanampurea, einer Provinz in Conriya; Tharschilka, ein Graf aus einer unbedeutenden Grenzmark in Galeoth; schließlich Kumrezzer, der Stellvertretende Verweser des in Ainon gelegenen Bezirks Kutapileth. Alle drei hatten das Ansinnen des Kaisers, den Vertrag zu unterschreiben, vehement zurückgewiesen. Die Verhandlungen waren seitdem zu einem erbitterten Willenskampf geworden, bei dem die Anführer der Inrithi es geradezu darauf anlegten, möglichst großen Schaden anzurichten, solange sie nur nicht den Zorn des Tempelvorstehers auf sich zogen, während Ikurei Xerius III. eine Verordnung nach der anderen verkünden ließ, um seine ungeliebten Gäste auf diese Weise doch noch zum Unterschreiben des Vertrags zu zwingen.
»Den Kaiser«, hatte der Bote schließlich erklärt, »hat Eure Ankunft sehr zuversichtlich gestimmt, Herr Oberbefehlshaber.«
Über diesen Satz hätte Conphas beinahe laut gelacht. Die Rückkehr eines Rivalen erfüllt keinen Kaiser mit Zuversicht, wohl aber die Rückkehr seiner Armee – vor allem, wenn er belagert wird. Und genau das war der Fall: Conphas hatte sich per Schiff – also von der Seeseite her – nach Momemn begeben müssen.
Und nun wurde der große Triumph, den er sich so oft und intensiv ausgemalt hatte – die ihm so wichtige Anerkennung seiner Leistung also – von bedeutsameren Ereignissen überschattet. Der Heilige Krieg hatte seinen Ruhm geschwächt und ließ sogar die Vernichtung der Scylvendi klein erscheinen. Gewiss, die Leute würden ihn feiern – aber doch so, wie man religiöse Feste in Zeiten der Hungersnot begeht: teilnahmslos und zu sehr mit den eigenen Sorgen beschäftigt, um wirklich zu verstehen, was oder wen man da feiert.
Wie hätte Conphas den Heiligen Krieg da nicht hassen sollen?
Becken wurden geschlagen, und Hörner erklangen. Zum Abschluss der Zeremonie verbeugten sich die Tempelpriester, entfernten sich und ließen den Oberbefehlshaber in stechendem Palmweinduft zurück. Lakaien in goldbesetztem Kilt tauchten auf und
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