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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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stillen.«
    Lachen. »Leider, Martemus. Doch selbst wenn ich dir alles erzählen könnte, was ich weiß, bliebe dein Leiden bestehen. Antworten sind wie Opium: Je mehr man bekommt, desto mehr braucht man. Deshalb findet der Weise Trost im Geheimnis.«
    »Wenigstens könntet Ihr einem Dummkopf wie mir erklären, wie Ihr wissen konntet, dass wir gewinnen.«
    »Wie gesagt – die Scylvendi sind extrem traditionsverhaftet. Das bedeutet, dass sie sich ständig wiederholen, Martemus. Sie folgen einem immer gleichen Schema. Verstehst du, was ich meine? Sie führen begeistert Krieg, haben aber keine Ahnung davon, was er wirklich ist.«
    »Und was ist Krieg wirklich?«
    »Eine Sache des Verstands, Martemus. Krieg ist eine Sache des Verstands.«
    Conphas gab seinem Pferd die Sporen und ließ seinen Untergebenen über die Tragweite dieser Äußerung grübeln. Cnaiür sah Martemus den federgeschmückten Helm abnehmen und sich durchs kurzgeschnittene Haar fahren. Einen atemlosen Moment lang schien der Soldat ihn direkt anzustarren, als könnte er Cnaiürs donnernd pochendes Herz hören. Dann galoppierte er unvermittelt seinem Oberbefehlshaber nach.
    Als Martemus zu ihm aufschloss, rief Conphas: »Wenn unsere Männer sich heute Nachmittag von ihren Siegesfeiern erholt haben, fangen wir an, Scylvendi-Köpfe einzusammeln. Ich werde eine Trophäen-Allee bauen, Martemus, die von hier bis an die Mauern unserer großen, kranken Hauptstadt Momemn reicht. Stell dir vor, was das für ein Triumphzug wird!«
    Ihre Stimmen wurden schwächer, bis sich nur noch das leise Rauschen des Flusses gegen die dröhnende Stille ringsum stemmte. Aus dem zerwühlten Boden stieg fahler Erdgeruch auf.
    Kalt war der Boden, bitterkalt. Wo sollte er hin?
    Einst war er der Kindheit entflohen, um sich mit seinem Vater Skiötha zu identifizieren, dem allseits geehrten Häuptling der Utemot. Nach dessen schmachvollem Tod hatte er sich mit seinem Volk, den Scylvendi, identifiziert, die der Zorn Lokungs waren und fast mehr aus Rache als aus Fleisch und Blut bestanden. Nun waren auch die Scylvendi eines schmachvollen Todes gestorben, und ihm fehlte jedes Vorbild, an dem er sich orientieren konnte. Er lag im Nirgendwo, und ringsum lagen Tote.
     
     
    Manche Ereignisse prägen uns so tief, dass sie im Nachhinein gegenwärtiger sind als in dem Moment, da sie uns widerfuhren. Sie wollen nicht vergehen und bleiben stets präsent. Manches wird nicht erinnert, sondern immer wieder durchlebt.
    Der Tod von Cnaiürs Vater war ein solches Ereignis.
    Cnaiür sitzt wie vor neunundzwanzig Jahren im Halbdunkel des großen Häuptlingszelts, in dessen Mitte ein Feuer brennt, das beim Hineinsehen zwar blendet, das Zelt aber nur schwach erleuchtet. Sein in Pelze gehüllter Vater berät mit dem Ältestenrat des Stamms über die Unverschämtheiten, die sich die weiter südlich lebenden Kuöti herausnehmen. Im Schatten der drahtigen Krieger hantieren Sklaven ängstlich mit Schläuchen voll fermentierter Stutenmilch herum. Kaum hebt ein vernarbter Arm ein Horn, gleich füllen sie es. Überall stinkt es nach Rauch und säuerlicher Flüssigkeit.
    Das Weiße Zelt hat viele solcher Beratungen gesehen, doch diesmal tritt einer der Sklaven, ein Norsirai, aus dem dunklen Hintergrund hervor und ans Feuer. Er hebt den Kopf und spricht die überraschten Utemot in tadellosem Scylvendisch an – als wäre er unter ihnen großgeworden.
    »Ich möchte mit Euch wetten, Häuptling der Utemot.«
    Cnaiürs Vater ist völlig verblüfft über diese Frechheit, aber auch über die erstaunliche Verwandlung des Sklaven. Ein gebrochener Mann wirkt plötzlich königlich erhaben. Nur Cnaiür ist nicht überrascht.
    Die anderen Utemot, hinter denen das Dunkel wie eine Mauer aufragt, verstummen.
    Übers Feuer hinweg antwortet sein Vater: »Du hast bereits gewettet, Sklave – und verloren.«
    Der Sklave lächelt verächtlich – wie ein ganzer Mann unter grünen Jungs.
    »Aber ich möchte mein Leben gegen das Eure wetten, Skiötha.«
    Ein Sklave, der den Namen seiner Herrschaft ausspricht! Was für eine Attacke auf die überkommene Ordnung! Welche Verdrehung allseits akzeptierter Regeln!
    Skiötha hat an dieser Ungeheuerlichkeit zu schlucken, lacht aber schließlich. Lachen verkleinert die Dinge, und dieser Skandal gehört allemal verniedlicht. Und eine zornige Reaktion würde die vom Sklaven erwünschte Wettbewerbssituation überdies ja erst herstellen und ihn in den Rang eines ebenbürtigen Gegners erheben. Genau

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