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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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geleiteten ihn, der Martemus zur Seite und sein Gefolge im Schlepp hatte, langsamen Schritts durch die dichtgedrängte Stille des Campus Scuärius. Ganze Einheiten von Fußsoldaten in rotem Rock fielen beim Vorbeigehen des Zugs auf die Knie, so dass es schien, als löste die Passage des Conphas einen Dominoeffekt aus, der sich bis in die letzten Ecken des Paradeplatzes fortpflanzte. Conphas spürte einen flüchtigen Schauer. War ihm nicht genau dies offenbart worden? War nicht gerade das die Quelle seiner Verzückung am Ufer des Kiyuth gewesen?
    So weit mein Auge reicht, gehorchen sie mir auf den leisesten Wink. So weit mein Auge reicht und weiter…
    Weiter. Ein atemberaubender Gedanke. Schamlos.
    Mit einem kurzen Blick über die Schulter vergewisserte er sich, dass seine Befehle beachtet wurden: Zwei seiner Leibwächter gingen dicht hinter ihm und schleiften den Gefangenen mit, während zwölf weitere Soldaten seiner Garde fleißig dabei waren, den von ihnen zurückgelegten Weg mit den letzten Scylvendi-Häuptern zu markieren. Anders als frühere Oberbefehlshaber hielt Conphas keine Parade ab, bei der dem Kaiser Sklaven und Beute vorgeführt worden wären, denn der Anblick quer über den Platz auf Spießen steckender geteerter Scylvendi-Köpfe entfaltete, so glaubte er, nur ohne alle Ablenkung seine einzigartige Wirkung. Obwohl er seine Großmutter in der Menge, die seinen Onkel unterhalb des Forums flankierte, nicht ausmachen konnte, wusste er, dass sie da war und seine Inszenierung guthieß. »Gib den Leuten was zu sehen«, sagte sie gern, »und sie geben dir Macht.«
    Wer Tatkraft und Energie spüren ließ, der bekam Macht. Stets war Conphas von Privatlehrern umgeben gewesen, doch es war vor allem seine Großmutter, die leidenschaftliche Istriya, die ihn auf seine angestammte Rolle vorbereitet hatte. Gegen den Wunsch seines Vaters hatte sie darauf bestanden, dass er die frühe Kindheit mitten im Pomp und Prunk des kaiserlichen Hofes verbrachte. Dort hatte sie ihn wie ihr eigenes Kind aufgezogen und ihm mit der Geschichte ihrer Dynastie auch die ungeschriebenen Geheimnisse der Staatskunst beigebracht. Conphas argwöhnte sogar, sie sei an den erfundenen Anklagen beteiligt gewesen, die zur Hinrichtung seines Vaters geführt hatten, um so sicherzustellen, dass der sich nicht in die Nachfolgefrage einmischen würde, falls ihr anderer Sohn, Ikurei Xerius III. sich überraschend auf dem Totenbett fände. Vor allem aber hatte sie energisch für den Eindruck gesorgt, er und nur er sei der Erbe. Selbst als Conphas noch ein kleiner Junge gewesen war, hatte sie seine Auftritte in ein Ereignis verwandelt, als ob er jeden Atemzug zur höheren Ehre des Kaiserreichs täte. Inzwischen würde nicht einmal sein Onkel mehr wagen, etwas zu unternehmen, was diesem Eindruck zuwiderliefe – selbst wenn es ihm doch noch gelänge, einen Sohn zu zeugen, der nicht sabberte oder bis ins Erwachsenenalter Windeln brauchte.
    Sie hatte so viel getan, dass er sie beinahe hätte lieben können.
    Conphas musterte seinen Onkel erneut. Der war inzwischen so nah, dass Einzelheiten seines Gewandes zu erkennen waren. Das Horn aus weißem Filz, das aus seinem goldenen Diadem aufstieg, überraschte den Oberbefehlshaber. Kein Kaiser hatte die Krone von Shigek seit dem drei Jahrhunderte zurückliegenden Verlust der Provinz an die Fanim je getragen. Diese Anmaßung war unerhört! Was mochte ihn zu diesem schrillen Auftritt veranlasst haben? Glaubte er etwa, er könnte seine Glorie mit einem Haufen leerer Ornamente retten?
    Er weiß es… Er weiß, dass ich ihn überflügelt habe!
    Während seiner Rückkehr aus der Steppe Jiünati hatte Conphas fast zwanghaft über seinen Onkel nachgedacht. Dabei war ihm die eigentliche Frage klar geworden – die nämlich, ob Xerius ihn als Werkzeug für künftige Aufgaben würde einsetzen oder sich seiner als Gefahr würde entledigen wollen. Dass er ihn ausgesandt hatte, die Scylvendi zu vernichten, verringerte keineswegs die Wahrscheinlichkeit, dass er ihn loswerden wollte. Gewiss wäre Xerius ganz unempfänglich für die Ironie, die darin lag, jemanden umzubringen, weil er seine Aufgabe erfolgreich erledigt hatte. Solche »Ungerechtigkeiten«, wie die Philosophen das nennen würden, waren in der kaiserlichen Politik alltäglich.
    Unter normalen Umständen würde sein Onkel bestimmt versuchen, ihn umzubringen. Das Problem war einfach, dass er die Scylvendi besiegt hatte. Selbst wenn sein Triumph, wie Conphas

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