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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Conphas auch wurmte – sie musste den alten Berater noch weit mehr ärgern.
    »Wir wenden uns ja nicht gegen das Festmahl«, entgegnete Skeaös, »sondern gegen dessen Preis! Das könnt Ihr doch sicher verstehen!«
    Conphas musterte den Obersten Berater für ein paar lange Sekunden. Dass der Alte sich mit seiner Großmutter verschworen hatte, empfand er als eigentümlich bemitleidenswert. Die beiden schienen wie zwei Bettler, die all die anfauchten, die zu arm waren, um ihnen mehr als ein paar Kupfermünzen hinzuwerfen.
    »Der Preis für den Rückgewinn des Kaiserreichs in seiner alten Herrlichkeit?«, fragte er kalt. »Dieser Preis ist dein Gewissen – und das ist doch wohl ein Schnäppchen, Skeaös.«
    Der öffnete den Mund zum Widerspruch, schloss ihn dann aber wortlos.
     
     
    Das Geheime Gemach des Kaisers war ein schmuckloser, kreisrunder, von schwarzen Marmorsäulen umgebener Saal. Diese Säulen trugen eine Empore, auf der sich bei seltenen, meist rituellen Anlässen Mitglieder der hochadligen Familien des Landes versammelten, um zuzusehen, wie der Kaiser per Unterschrift Gesetzentwürfe zu Gesetzesrang erhob. Ein paar Minister und einige Sklaven trieben sich in der Mitte des Saals vor einem Mahagonitisch herum. Für einen Moment bekam Conphas auf dessen polierter Schreibplatte das Spiegelbild seines Onkels zu Gesicht und musste bei diesem Anblick an eine in brackigem Wasser treibende Leiche denken. Von den Scharlachspitzen war niemand zu sehen.
    Der Oberbefehlshaber drückte sich ein Weilchen in der Nähe des Eingangs herum und musterte die in die Wand eingelassenen elfenbeinernen Halbreliefs bedeutender Gesetzgeber des Altertums und großer Vertreter des Stoßzahns – vom Propheten Angeshraël bis zum Philosophen Poripharus. Conphas fragte sich unsinnigerweise, nach welchen seiner toten Verwandten der Künstler ihre Gesichter gearbeitet haben mochte.
    Bei der Aufforderung seines Onkels erschrak er: »Komm«, sagte Xerius, »wir haben nur wenig Zeit, Neffe.«
    Die anderen hatten sich zurückgezogen. Nur Skeaös und Cememketri befanden sich noch zu Seiten seines Onkels. Es entging Conphas nicht, dass sich auf der umlaufenden Empore Soldaten der Kaiserlichen Garde und Kaiserliche Ordensleute drängten.
    Conphas setzte sich auf den Stuhl, den sein Onkel ihm anwies. »Skeaös und Cememketri sind sich darüber einig«, begann Xerius, »dass Eleäzaras ein extrem gerissener und gefährlicher Mann ist. Welche Falle würdest du ihm stellen, Neffe?« Sein Onkel wollte gelöst klingen und hatte demnach Angst, was womöglich durchaus angemessen war, denn noch wusste niemand, warum die Scharlachspitzen sich herabgelassen hatten, sich dem Heiligen Krieg anzuschließen; keiner hatte also eine genaue Vorstellung davon, was der Orden im Schilde führte. Die Ziele von Männern wie Skaiyelt und Gothyelt waren klar: Erlösung oder Eroberung. Worum aber ging es Eleäzaras? Wer konnte schon wissen, worauf die Orden – egal welcher – spekulierten?
    Conphas zuckte die Achseln. »Ihm eine Falle zu stellen, kommt nicht in Frage. Um den Gegner aufs Glatteis zu führen, muss man mehr wissen als er, und so wie es aussieht, wissen wir nichts – weder über seine Abmachung mit Maithanet, noch darüber, warum er sich überhaupt zu diesem Handel bereitgefunden hat und ein solches Risiko eingegangen ist. Ein Orden, der sich aus freien Stücken einem Heiligen Krieg anschließt… einem Heiligen Krieg! Offen gesagt, Onkel – ich bezweifle, dass unser Hauptaugenmerk gegenwärtig darauf liegen sollte, uns seiner Unterstützung deines Vertrags zu versichern.«
    »Was soll das heißen? Dass wir nach Hintergrundinformationen forschen sollen? Für solche Bagatellen zahle ich meinen Kundschaftern seit langem gutes Geld, Neffe.«
    Bagatellen? Conphas musste um seine Beherrschung kämpfen. Zwar war sein Onkel zu selbstverliebt für religiöse Überzeugungen, doch er wachte – wie jeder Fanatiker – eifersüchtig über seine Unkenntnis. Wenn die Tatsachen seinen Zielen widersprachen, nahm er sie einfach nicht zur Kenntnis.
    »Du hast mich mal gefragt, wie es mir gelungen ist, am Kiyuth zu siegen, Onkel. Weißt du noch, was ich dir damals sagte?«
    »Was du mir damals ›sagtest‹?«, stieß der Kaiser hervor. »Du ›sagst‹ mir immer irgendwas, Conphas. Erwartest du etwa, dass ich mich an jede deiner Unverschämtheiten erinnere?« Das war wohl die billigste und am meisten abgegriffene Waffe im Arsenal seines Onkels: die Drohung, einen Rat

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