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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Heiligen Krieg der Vernichtung auszuliefern… einen Heiligen Krieg! Ich fürchte um mein Seelenheil, Ikurei Conphas. Um mein Seelenheil!«
    Conphas war so überrascht, dass er seinen Zorn vergaß. Er hatte angenommen, sein Onkel habe ihn durch die Andeutungen des Skeaös nur aufs Neue auf die Probe stellen wollen, und entsprechend geantwortet. Die Möglichkeit, der alte Narr könnte aus eigenem Antrieb handeln, war ihm nie in den Sinn gekommen. Viele Jahre hatte es so ausgesehen, als seien Skeaös und Xerius zwei Erscheinungsformen ein und desselben Willens.
    »Bei allen Göttern, Skeaös… Hat Maithanet auch dich berückt?«
    Der Oberste Berater schüttelte den Kopf. »Nein. Maithanet ist mir ganz gleich – genau wie Shimeh übrigens… Ihr seid jung und würdet meine Gründe nicht verstehen. Die Jugend begreift nie, was das Leben wirklich ist: eine Schneide – dünn wie die Atemzüge, nach denen es sich bemisst. Was ihm Tiefe gibt, ist nicht die Erinnerung. Meine Erinnerungen würden für zehn Männer reichen, und doch sind meine Tage so dünn und schemenhaft wie das Fettpapier, das die Armen statt Glasscheiben in ihre Fenster setzen. Nein, es ist die Zukunft, die dem Leben Tiefe verleiht. Ohne Zukunft, ohne einen verheißungsvollen oder drohenden Horizont hat unser Leben keine Bedeutung. Nur die Zukunft ist wirklich, Conphas, und wenn ich die Götter nicht ehre, habe ich keine Zukunft mehr.«
    Conphas schnaubte. »Das versteh ich nur zu gut, Skeaös. Du hast gesprochen wie ein echter Ikurei. Wie hat der Dichter Girgalla gesagt? ›Jede Liebe beginnt bei der eigenen Haut‹ – oder bei der eigenen Seele, wie es hier der Fall sein mag. Aber ich habe beides schon immer für austauschbar gehalten.«
    »Versteht Ihr mich also? Könnt Ihr das überhaupt?«
    Ja, er verstand ihn – und zwar besser, als Skeaös ahnte. Seine Großmutter. Skeaös hatte sich mit Istriya verschworen. Er konnte sogar ihre Stimme hören: »Du musst beide ködern, Skeaös. Stachle sie gegeneinander auf. Conphas’ Begeisterung über den Wahnsinn meines Sohns wird schnell genug nachlassen. Wart’s nur ab. Er wird bald zu uns gelaufen kommen, und dann werden wir Xerius gemeinsam zwingen, seinen verrückten Plan aufzugeben!«
    Er fragte sich, ob die alte Schachtel Skeaös zu ihrem Geliebten gemacht hatte, hielt das für wahrscheinlich und zuckte bei dem Bild, das sich dabei einstellte, zusammen. Als würde des Herbstes letzte Pflaume sich in dem Laub wälzen, in dem sie verfaulte, dachte er.
    »Du und meine Großmutter«, begann er, »ihr beide wollt den Heiligen Krieg vor dem Zugriff meines Onkels bewahren. Ein lobenswertes Unterfangen – nur dass es an Verrat grenzt. Meine Großmutter kann ich verstehen, denn sie kann sicher sein, dass ihr Sohn ihr nichts antun wird. Aber du, Skeaös, weißt doch wie kaum ein anderer, wozu Ikurei Xerius III. fähig ist, wenn sein Misstrauen einmal geweckt ist! Findest du den Versuch, mich derart gegen ihn auszuspielen, nicht etwas gewagt?«
    »Aber auf Euch hört er! Und wichtiger noch: Euch braucht er!«
    »Schon möglich… Aber das ist ohnehin nebensächlich. Mag sein, dass euer beider altem Magen dieses Essen nicht allzu bekömmlich ist, doch mein Onkel hat ein wahres Festmahl angerichtet, Skeaös, und ich jedenfalls habe nicht vor, das zu leugnen.«
    Wie sehr er seinen Onkel auch verachtete – Conphas musste zugeben, dass der Schachzug, Calmemunis und den wilden Haufen seiner Anhänger mit Lebensmittelvorräten zu versorgen, so glänzend gewesen war wie kaum einer von denen, die er selbst je auf dem Schlachtfeld gemacht hatte. Der Gemeine Heilige Krieg würde von den Heiden aufgerieben werden, und mit einem Schlag hätte das Kaiserreich sich den Tempelvorsteher gefügig gemacht und konnte ihn vielleicht dazu nötigen, von den restlichen Männern des Stoßzahns zu verlangen, den kaiserlichen Vertrag zu unterschreiben und den Fanim dadurch zu zeigen, dass das Haus Ikurei in gutem Glauben handelte. Der Vertrag würde die Rechtmäßigkeit jedes militärischen Vorstoßes garantieren, den das Kaiserreich gegen die Männer des Stoßzahns unternehmen würde, um seine verlorenen Provinzen zurückzugewinnen, und die Übereinkunft mit den Heiden würde sicherstellen, dass so ein militärisches Vorgehen nur auf äußerst geringen Widerstand stieße – wenn die Zeit dafür reif war.
    Was für ein Plan! Und nicht etwa Skeaös, sondern sein Onkel persönlich hatte ihn sich ausgedacht! So sehr diese Tatsache

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