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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Anstieg der Andiamin-Höhen Quartier bezogen, von wo er das Forum und den Campus Scuärius überblicken konnte. Der Weg zum Geheimen Gemach des Kaisers, das ganz oben auf dem Hügel lag, war weit, und Conphas fragte sich gedankenverloren, ob der alte Berater den Anstieg schaffen würde. Im Lauf der Jahre war manch kaiserlicher Amtsträger am »Klauengriff« gestorben, wie die Bewohner des Palasts den Herzinfarkt nannten. Seine Großmutter hatte ihm erzählt, frühere Kaiser hätten den Anstieg sogar dazu benutzt, sich alternder und obendrein zänkischer Amtsträger zu entledigen, indem sie ihnen Botschaften übergaben, die angeblich zu wichtig waren, um sie Sklaven anzuvertrauen, die Boten dann aber, kaum dass sie ihre Nachricht am Fuß der Anhöhe abgeliefert hatten, sofort und eilig zurückrufen ließen. Die Andiamin-Höhen waren nichts für schwache Herzen – weder im wörtlichen noch im übertragenen Sinne.
    Mehr aus Neugier als aus Bosheit trieb Conphas den Alten zu zügigem Aufstieg an. Er hatte noch nie jemanden am Klauengriff sterben sehen. Bemerkenswert, dass Skeaös sich mit keinem Wort beklagte und keine Spur von Anstrengung zeigte – mal abgesehen davon, dass er die Arme wie ein alter Affe vor- und zurückschwang. Ohne im mindesten außer Atem zu geraten, begann er, Conphas über Einzelheiten des Vertrags zwischen den Scharlachspitzen und den Tausend Tempeln zu unterrichten – soweit sie überhaupt bekannt waren. Als klar schien, dass Skeaös nicht nur das Aussehen, sondern auch die Ausdauer eines alten Affen hatte, begann Conphas, sich zu langweilen.
    Nachdem sie einige Treppen erklommen hatten, kamen sie durch die Hapetin-Gärten. Wie immer warf Conphas einen kurzen Blick auf die Stelle, an der sein Ururgroßvater Ikurei Anphairas über hundert Jahre zuvor ermordet worden war. Auf den Andiamin-Höhen gab es solche mit Grotten überbauten und der Andacht dienenden Stätten zu Hunderten – Orte, an denen lang verstorbene Potentaten diese oder jene skandalöse Tat begangen oder erlitten hatten. Sein Onkel hielt sich, wie Conphas wusste, von all diesen Stellen unbedingt fern – es sei denn, er war schwer betrunken. Für Xerius stank der Palast geradezu vor Erinnerungen an tote Kaiser.
    Für Conphas dagegen waren die Andiamin-Höhen eher eine Bühne als ein Mausoleum. Selbst jetzt erfüllten verborgene Chöre die Flure mit religiösen Liedern. Manchmal vernebelte Weihrauch die Korridore und umgab die Laternen mit einem in allen Regenbogenfarben leuchtenden Hof, so dass es schien, man stiege nicht auf einen Hügel, sondern zu den Pforten des Himmels empor. Wäre Conphas ein Besucher, kein Bewohner des Palastbezirks gewesen, hätten barbusige Sklavenmädchen ihm schweren, mit Drogen aus Nilnamesh versetzten Wein kredenzt. Spitzbäuchige Eunuchen hätten ihm als Geschenk Duftöle und Schmuckwaffen überreicht. All dies wäre in der Absicht geschehen, kleine Vorteile zu hamstern, wie Skeaös sagen würde – in der Absicht also, den Gast abzulenken, sich bei ihm einzuschmeicheln und ihn zugleich einzuschüchtern.
    Noch immer unangestrengt fuhr Skeaös fort, eine anscheinend endlose Folge von Fakten und Ermahnungen abzuspulen. Conphas hörte nur mit halbem Ohr hin und hoffte, der alte Narr würde ihm irgendwann etwas mitteilen, das er nicht schon lange wusste. Schließlich wandte sich der Oberste Berater dem Thema Eleäzaras zu, dem Hochmeister der Scharlachspitzen also.
    »Unsere Kundschafter in Carythusal berichten, er besitze sehr zu Recht einen exzellenten Ruf. Als sein Lehrer Sasheoka vor etwa zehn Jahren aus unbekanntem Grund starb, war Eleäzaras kaum mehr als ein frisch diplomierter Student. Innerhalb von zwei Jahren hat er es dann zum Hochmeister des bedeutendsten Ordens der Drei Meere gebracht. Das zeugt von beherzter Intelligenz und immensen Fähigkeiten. Ihr müsst…«
    »… und von Ehrgeiz«, unterbrach ihn Conphas. »Ohne Ehrgeiz erreicht niemand in so kurzer Zeit so viel.«
    »Ihr müsst das ja wissen, schätze ich.«
    Conphas stieß ein meckerndes Lachen aus. »Das ist der Skeaös, den ich kenne und schätze – schier brodelnd vor verbotenem Stolz! Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, alter Mann.«
    Der Oberste Berater redete weiter, als habe Conphas nichts gesagt: »Ihr müsst im Gespräch mit ihm große Vorsicht walten lassen.
    Euer Onkel hat Euch ursprünglich von diesem Treffen ausschließen wollen, doch dann hat Eleäzaras persönlich Eure Anwesenheit erbeten.«
    »Mein Onkel hat

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