Schattenfall
als Befehl zu verstehen. Willst du dir etwa herausnehmen, dem Kaiser zu sagen, was er zu tun hat? Dieser pauschale Verdacht überschattete all ihre Gespräche.
Conphas schenkte seinem Onkel ein beschwichtigendes Lächeln. »Nach dem, was Skeaös mir berichtet hat«, sagte er sanft, »habe ich den Eindruck, wir sollten einfach in gutem Glauben verhandeln – jedenfalls, soweit uns das möglich ist. Wir wissen zu wenig, um ihm eine Falle zu stellen.« Einen Schritt bis an den äußersten Rand des Erlaubten zu wagen und dann zurückzutreten, als sei nichts geschehen – so hatten sie es in seiner Familie stets gehalten (wenigstens bis zu den jüngsten Eskapaden seiner Großmutter).
»Genau das denke ich auch«, sagte Xerius. Immerhin hatte er die Regeln noch im Kopf.
In diesem Moment meldete ein Kammerherr die unmittelbar bevorstehende Ankunft von Eleäzaras und seinem Gefolge. Xerius wies Skeaös an, ihm sein Chorum in die Handfläche zu binden, und Cememketri sah dem alten Berater dabei angewidert zu. Seit über hundert Jahren achteten die Mitglieder der kaiserlichen Familie darauf, bei Gesprächen mit fremden Hexenmeistern stets ihr Chorum umgeschnallt zu haben – diese Sitte hatte in der Dynastie also schon eine gewisse Tradition.
Chepheramunni, regierender König und nomineller Herrscher von Ainon, wurde als Erster angekündigt, doch als die Ainoni nacheinander in den Saal kamen, folgte er Eleäzaras wie ein Hund. Das Auftreten des Hochmeisters war forsch und – nach Meinung von Conphas jedenfalls – enttäuschend. Er benahm sich wie ein Bankier, nicht wie ein Hexenmeister, denn er schien vom Zeremoniell genervt, dafür aber scharf aufs Studium der Bilanzen. Eleäzaras verbeugte sich vor Xerius – allerdings nicht tiefer, als auch der Tempelvorsteher es getan hätte. Ein Sklave zog ihm den Stuhl zurück, und er setzte sich trotz seiner schleppenden Purpurgewänder mühelos. Der nach Parfüm stinkende Chepheramunni ließ sich neben ihm nieder; er wirkte bleich, obwohl er Rouge aufgelegt hatte, und aus seiner Miene sprachen Angst und Ärger.
Nun folgte der obligatorische, peinlich genau beachtete Austausch von Ehrenbezeugungen, Vorstellungsritualen und Komplimenten. Als ihm Cememketri – Eleäzaras’ Pendant bei den Kaiserlichen Ordensleuten – vorgestellt wurde, lächelte der Hochmeister der Scharlachspitzen verächtlich und zuckte die Achseln, als zweifelte er daran, dass sein Gegenüber für den Posten qualifiziert sei. Ordensmänner – so hatte Conphas gehört – waren zu ihren Kollegen oft unerträglich hochmütig. Cememketri errötete vor Zorn, verkniff sich aber eine vergleichbar herablassende Reaktion, und das sprach für ihn.
Nach diesem Jnan-Geplänkel wandte sich Eleäzaras an den Oberbefehlshaber. »Endlich«, begann er in fließendem Scheyisch, »treffe ich den berühmten Ikurei Conphas.«
Der wollte schon antworten, da kam ihm sein Onkel zuvor.
»Er ist wirklich eine Rarität. Nur wenige Herrscher besitzen solche Werkzeuge, ihren Willen durchzusetzen… Aber Ihr habt die lange Reise doch sicher nicht gemacht, nur um meinen Neffen kennenzulernen?«
Conphas war sich zwar nicht ganz sicher, doch Eleäzaras schien ihm zugezwinkert zu haben, ehe er sich an seinen Onkel wandte. Als habe er sagen wollen: »Wir müssen diese Dummköpfe nun mal geduldig ertragen, stimmt’s?«
»Natürlich nicht«, entgegnete Eleäzaras vernichtend knapp.
Xerius schien die beißende Kürze seiner Antwort nicht zu bemerken. »Darf ich also fragen, warum die Scharlachspitzen sich dem Heiligen Krieg angeschlossen haben?«
Eleäzaras betrachtete seine unlackierten Fingernägel. »Ganz einfach – man hat uns gekauft.«
»Gekauft?«
»In der Tat.«
»Ein reichlich ungewöhnliches Geschäft! Und wie sieht die Vereinbarung im Einzelnen aus?«
Der Hochmeister lächelte. »Ich fürchte, auch Verschwiegenheit ist Teil der Vereinbarung. Leider kann ich keine Einzelheiten preisgeben.«
Conphas hielt diese Geschichte für unwahrscheinlich. Nicht mal die Tausend Tempel waren reich genug, die Scharlachspitzen »anzuwerben«. Eleäzaras und seine Leute waren aus Gründen gekommen, die über Gold und vom Tempelvorsteher vergebene Handelskonzessionen hinausgingen – dessen war er sich gewiss.
Der Hochmeister wechselte die Richtung des Gesprächs rasch wie ein Aal im Wasser und fuhr fort: »Ihr macht Euch natürlich Sorgen, wie unsere Absichten sich auf den Vertrag auswirken, den Ihr allen Anführern des Heiligen Kriegs
Weitere Kostenlose Bücher