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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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»Liegt natürlich am Honig.«
    Geshrunni ließ sich nicht ablenken. »Leute wie du dürfen keine Frauen haben.«
    »Leute wie ich, ja? Und was sind das für Leute?«, fragte Achamian und sah wieder kurz zum Eingang.
    »Du bist ein Hexenmeister und gehörst einem Orden an.«
    Achamian lachte einen Wimpernschlag zu spät und wusste gleich, dass seine Schrecksekunde ihn verraten hatte. Aber er hatte Grund genug, sein Theater fortzusetzen. Wenigstens würde er so seine Lebenszeit um ein paar Minuten verlängern.
    »Beim allerletzten Propheten, guter Freund«, rief Achamian und sah erneut zum Eingang, »du streust deine Anschuldigungen ja mit vollen Händen aus. Was war ich gestern Abend angeblich? Ein Hurensohn?«
    Ins allgemeine Gelächter donnerten die Männer hinter Geshrunni: »Zwei!«
    Die Gesichtszüge seines Gegenübers verrieten Achamian wenig, denn die Mienen des Hauptmanns schienen allesamt Grimassen, vor allem sein Lächeln. Die Finger aber, die jetzt vorschnellten und ihn am Handgelenk packten, sagten ihm, was er wissen musste.
    Ich bin verloren – sie wissen Bescheid.
    Es gab kaum etwas Entsetzlicheres als »sie«, vor allem in Carythusal. »Sie« waren die Scharlachspitzen – der mächtigste Orden im Gebiet der Drei Meere und heimlicher Herrscher von Ainon. Geshrunni war Hauptmann bei den Javreh, den Kriegersklaven der Scharlachspitzen. Gerade deshalb hatte Achamian ihn in den letzten Wochen umworben – nach der alten Kundschafterregel: Zapf die Sklaven der Konkurrenz an.
    Geshrunni blickte ihm grimmig in die Augen und bog ihm die Handfläche nach oben. »Wir beide wissen, wie sich mein Verdacht bestätigen lässt«, sagte er leise.
    »Drei!«, hallte es durch die Schenke.
    Achamian zuckte zusammen, weil Geshrunni schmerzhaft zupackte, aber auch, weil er wusste, welcher »Weg« gemeint war. Nein, so nicht …
    »Geshrunni, bitte… Du bist betrunken, Freund. Welcher Orden würde es wagen, den Zorn der Scharlachspitzen zu wecken?«
    Der Hauptmann zuckte die Achseln. »Die Mysunsai vielleicht? Die Kaiserlichen Ordensleute? Oder die Cishaurim? Von eurer verwünschten Sippschaft gibt’s doch jede Menge. Aber wenn ich wetten müsste, würde ich auf die Mandati tippen. Ja – ich schätze, du gehörst zum Orden der Mandati.«
    Dieser schlaue Sklave! Seit wann weiß er das wohl schon?
    Die furchtbaren Worte waren in Achamians Kopf und warteten nur darauf, dass er sie aussprach – Worte, die einen erblinden lassen und verätzen konnten. Er lässt mir keine andere Wahl. Es würde bestimmt Aufruhr geben: Männer würden brüllend nach dem Schwert greifen, dann aber wie Wachteln vor ihm fliehen. Von allen Völkern im Gebiet der Drei Meere fürchtete keines Hexerei so sehr wie die Ainoni.
    Es gibt keine andere Wahl.
    Doch Geshrunni hatte schon unter seine bestickte Weste gelangt, ballte die Hand zur Faust und grinste böse.
    Zu spät…
    »Du siehst aus«, meinte Geshrunni mit gefährlichem Behagen, »als wolltest du etwas sagen.«
    Er zog die Hand wieder unter der Weste hervor und zeigte ihm sein Chorum. Dann blinzelte er und zerriss erschreckend unvermittelt die goldene Kette, an der er es um den Hals trug. Achamian hatte das Chorum seit ihrer ersten Begegnung gespürt, ja, seine nervtötenden Signale hatten ihn erst erkennen lassen, dass Geshrunni ein hohes Tier bei den Javreh war. Nun würde der Hauptmann es einsetzen, um ihn zu überführen.
    »Was soll das denn jetzt?«, fragte Achamian, und blanke Angst ließ seinen Arm, den Geshrunni weiter auf die Tischplatte drückte, kurz zittern.
    »Ich glaube, das weißt du sehr gut, Akka – vermutlich besser als ich.«
    Chorae. Die Ordensleute nannten sie Schmuckanhänger. Entsetzliches hat oft einen harmlosen, beschönigenden Namen. Doch wer – gemäß der Lehre der Tausend Tempel – Hexerei als Blasphemie verdammte, bezeichnete diese Anhänger als Tränen Gottes. Gott freilich war an ihrer Herstellung nicht beteiligt. Chorae waren Überbleibsel aus dem Alten Norden und so wertvoll, dass man nur durch eine reiche Heirat, durch Mord oder durch den Gegenwert der jährlichen Tributleistung eines Volkes in ihren Besitz kam. Und diesen Preis waren sie wert: Chorae immunisierten ihre Besitzer gegen Hexerei und töteten jeden Zauberer, der das Pech hatte, sie zu berühren.
    Geshrunni hielt Achamians Hand weiter ohne jede Anstrengung auf der Tischplatte fest und hob sein Chorum zwischen Daumen und Zeigefinger. Es war absolut unauffällig: eine olivgroße Eisenkugel, in

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