Schattenfall
zu folgen? Das konnte doch nur…
Er fuhr herum und sah einen rundlichen Mann mit schütterem Haar. Trotz der Hitze trug er einen prunkvollen Seidenmantel, der in allen möglichen Farben gehalten sein mochte, im Dunkeln aber zwischen blau und schwarz changierte.
»Du bist doch einer von denen, die bei der Hure mit dem Honigtrick gesessen haben«, sagte Geshrunni und bemühte sich, endlich die benebelnde Trunkenheit abzuschütteln.
»Stimmt«, antwortete der Mann und grinste bis über die Hängebacken. »Sie war sehr… verführerisch. Aber um ehrlich zu sein: ich hab mich viel mehr für das interessiert, was du dem Ordensmann der Mandati zu sagen hattest.«
Geshrunni blinzelte sein Gegenüber so trunken wie überrascht an. Dann wissen sie es also.
Gefahr hatte ihn schon immer auf einen Schlag nüchtern werden lassen. Er griff intuitiv in die Westentasche, schloss die Finger um sein Chorum und schleuderte es mit aller Kraft nach dem Ordensmann der Scharlachspitzen…
Oder nach dem, den er dafür hielt. Der Fremde aber pflückte den Anhänger aus der Luft, als sei er ihm zu freundlicher Begutachtung zugeworfen worden, und musterte ihn einen Moment lang wie ein skeptischer Geldwechsler, dem eine Bleimünze unter die Finger gekommen ist. Dann sah er auf, lächelte wieder und zwinkerte mit großen Kuhaugen. »Was für ein kostbares Geschenk!«, sagte er. »Hab vielen Dank, doch ich fürchte, das ist kein ausreichender Ersatz für das, was ich suche.«
Ein Hexenmeister jedenfalls ist er nicht! Geshrunni war einmal dabei gewesen, als ein Chorum einen Zauberer berührt und mit lodernder Flamme zu Asche verwandelt hatte. Doch um wen mochte es sich bei diesem Mann handeln?
»Wer seid Ihr?«, fragte Geshrunni.
»Das übersteigt deinen Horizont, Sklave.«
Der Javreh-Hauptmann lächelte. Vielleicht ist er nur ein Narr. Plötzlich überkam ihn die gefährliche Liebenswürdigkeit des Betrunkenen. Er trat auf sein Gegenüber zu und legte ihm eine schwielige Hand auf die fettgepolsterte Schulter. Jasmin stieg ihm in die Nase. Die Kuhaugen sahen zu ihm auf.
»Ach du liebe Zeit«, flüsterte der Fremde. »Du bist ein wagemutiger Narr, was?«
Warum hat er keine Angst? Jetzt stand Geshrunni wieder vor Augen, wie lässig der Dicke sich das Chorum gefischt hatte, und er fühlte sich plötzlich furchtbar schutzlos. Doch nun konnte er keinen Rückzieher mehr machen.
»Wer seid Ihr?«, fragte er heiser. »Wie lange beobachtet Ihr mich schon?«
»Dich beobachten?« Beinahe hätte der Mann losgekichert. »So eingebildet zu sein, schickt sich nicht für einen Sklaven.«
Beobachtet er also Achamian? Was soll das alles? Als Offizier war Geshrunni gewohnt, Männern aus nächster Nähe bedrohlich zu kommen und sie einzuschüchtern. Bei diesem Mann aber klappte das nicht. Er mochte ein Weichei sein – doch auf jeden Fall war er die Lässigkeit selbst. Das spürte Geshrunni. Und hätte er nicht so viel unverdünnten Wein getrunken, hätten ihm längst die Knie geschlottert.
Er grub die Finger tief in die fette Schulter des Fremden.
»Sag mir, wer du bist, du feister Narr!«, fuhr er ihn mit zusammengebissenen Zähnen an. »Sonst kannst du deine Eingeweide auf dem Straßenpflaster betrachten.« In der freien Hand schwang er inzwischen sein Messer. »Wer bist du?«
Der Dicke blieb unbeeindruckt, doch sein Lächeln hatte einen brutalen Zug bekommen. »Kaum etwas ist so betrüblich wie ein Sklave, der seinen Platz nicht erkennen will.«
Fassungslos blickte Geshrunni auf seine Hand. Er fühlte sie nicht mehr und sah sein Messer zu Boden fallen. Und das, obwohl er nur ein leises Geräusch gehört hatte, das vom Ärmel des Fremden gekommen zu sein schien.
»Auf die Knie«, sagte der nun.
»Wie bitte?«
Die Ohrfeige war so gesalzen, dass ihm Tränen kamen.
»Auf die Knie, hab ich gesagt.«
Die zweite Backpfeife war so gepfeffert, dass sie ihn leicht ein paar Zähne hätte kosten können. Geshrunni taumelte einige Schritte zurück und hob schwerfällig die Hand. Wie war das möglich?
»Da haben wir uns ja wirklich was vorgenommen«, sagte der Fremde bekümmert und schloss zu ihm auf. »Wenn sogar ihre Sklaven schon solchen Stolz besitzen.«
Panisch tastete Geshrunni nach dem Heft seines Schwerts.
Der Dicke hielt inne und sah kurz auf den Knauf der Waffe.
»Zieh«, sagte er mit unvorstellbar kalter, nicht menschlicher Stimme.
Geshrunni erstarrte mit aufgerissenen Augen und war von der gewaltigen Silhouette gebannt, die nun vor ihm
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