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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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und in vielen Gesichtern beobachtet hatte.
    Er sehnt sich nach Ergriffenheit… einer Ergriffenheit, die von jemandem ausgeht, der heiliger ist als er.
    »Ein guter Mann«, wiederholte Kellhus. Ich muss ihn nur davon überzeugen, dass ich dieser Jemand bin.
    »Und das«, sagte Proyas mit einem Nicken nach rechts, »ist Prinz Skaiyelt von Thunyerus. Der Riese neben ihm heißt Yalgrota.«
    Absichtlich oder nicht – die kleine Delegation von Thunyeri hielt sich am Rand des versammelten Inrithi-Adels. Von allen Edelmännern, die im Garten zusammengekommen waren, hatten nur sie Rüstung angelegt und trugen schwarze Kettenhemden unter langärmeligen, mit stilisierten Tieren bestickten Umhängen. Alle hatten drahtige Bärte und langes, kornseidenfarbenes Haar. Skaiyelts Gesicht war gleichmäßig vernarbt, als habe er die Pocken gehabt, und er murmelte dem hart dreinblickenden Yalgrota düster etwas zu. Der Hüne ragte neben seinem Prinzen auf und funkelte Cnaiür über die Köpfe der Übrigen hinweg zornig an.
    »Hast du je einen solchen Mann gesehen?«, zischte Proyas und betrachtete den Riesen mit offener Bewunderung. »Hoffen wir nur, dass er ein rein wissenschaftliches Interesse an dir hat, Scylvendi.«
    Cnaiür begegnete Yalgrotas Blick, ohne mit der Wimper zu zucken. »Ja«, sagte er gelassen, »hoffen wir’s in seinem Interesse. Schließlich zählt nicht nur die Körpergröße.«
    Proyas zog die Brauen hoch und lächelte Kellhus von der Seite an.
    »Glaubst du etwa, der Kerl ist nicht so clever, wie er lang ist?«, fragte Kellhus in gespielter Verwunderung.
    Proyas lachte auf, doch Cnaiür warf Kellhus einen bitterbösen Blick zu. Mach dich über diese Narren ruhig lustig, wenn du’s nötig hast, Dunyain, aber versuch es nicht bei mir!
    »Langsam fangt Ihr an, Xinemus zu ähneln, mein Prinz«, sagte Proyas zu Kellhus.
    Dem Mann, den er mehr als alle anderen schätzt …
    Ein wütender Schrei drang aus dem Geräuschteppich im Hintergrund. »Gi’irgafi hierst! Gi’irgafi hierstas da moia!« Das war Gothyelk, der wieder mal einen seiner Söhne ausschalt, diesmal auf der anderen Seite des Gartens.
    »Was sind das für Anhänger, die die Thunyeri um die Hüften tragen?«, fragte Kellhus den Kronprinzen. »Die sehen ja aus wie runzlige Äpfel.«
    »Das sind Schrumpfköpfe der Sranc… Die Thunyeri verwandeln ihre Feinde in Fetische, und wir können damit rechnen…« – sein Widerwille wurde so groß, dass er das Gesicht verzog ~ »… dass sie bald mit Menschenköpfen am Gürtel herumlaufen, wenn der Heilige Krieg sich in Marsch gesetzt hat. Was ich gerade habe sagen wollen: Die Thunyeri gehören noch nicht lange zu den Inrithi. Sie haben die Religion der Tausend Tempel und den Glauben an den Letzten Propheten erst zu Lebzeiten meines Großvaters angenommen und sind daher ziemlich fanatisch, was für Neubekehrte ja typisch ist. Aber ihr endloser Krieg mit den Sranc hat sie trübsinnig werden lassen, richtig melancholisch, wenn nicht gar verwirrt. Skaiyelt ist da, soviel ich weiß, keine Ausnahme – er spricht nicht ein Wort Scheyisch. Man wird ihm ein bisschen… zur Seite stehen müssen, nehme ich an, aber weiter ernst nehmen sollte man ihn nicht.«
    Das hier ist ein großes Spiel, dachte Kellhus, und wer die Regeln nicht kennt, hat darin keinen Platz. Dennoch fragte er: »Warum das?«
    »Weil er ungehobelt ist – ein ungebildeter Barbar.«
    Mit dieser Antwort hatte Kellhus gerechnet: Es war genau die, die den Scylvendi verärgern konnte.
    Wie auf Kommando schnaubte Cnaiür verächtlich und fragte mit schneidendem Hohn: »Und was halten die anderen dann wohl von mir, hm? Was meinst du?«
    Der Kronprinz zuckte die Achseln. »Ziemlich das Gleiche, nehme ich an. Aber das wird sich schnell ändern. Ich hab…«
    Proyas brach mitten im Satz ab, weil das plötzliche Verstummen der Inrithi seine Aufmerksamkeit beanspruchte. Drei Gestalten näherten sich im Schatten des umlaufenden Säulengangs: Zwei Männer – der Rüstung und den Insignien nach Mitglieder der Kaiserlichen Garde – schleiften einen Dritten zwischen sich, der nackt und ausgezehrt war und an Hals, Hand- und Fußgelenken schwere Eisenfesseln trug. Die Narben, die seine Arme wie Gitter zierten, wiesen ihn klar als Scylvendi aus.
    »Diese gerissenen Mistkerle«, murmelte Proyas in sich hinein.
    Die Gardisten zerrten den Mann ins Licht. Er schwankte wie ein Betrunkener hin und her und hob das mitleiderregende Gesicht zur warmen Sonne. Man hatte ihm die

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