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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Kellhus bei der Beschreibung seiner Visionen geduldig zugehört hatte, hatte er erklärt, buchstäblich Tausende würden behaupten, vom Heiligen Krieg zu träumen – die einen von seinem Triumph, die anderen von seinem Untergang –, und man könne keine zehn Meter am Phayus spazieren, ohne einem aus seiner Klause gekommenen Einsiedler zu begegnen, der einem gestikulierend mit seinen Träumen in den Ohren liege.
    »Warum«, fragte er mit der für ihn typischen Ehrlichkeit, »sollte ich Eure Träume als etwas Besonderes betrachten?«
    Träume waren eine ernste Angelegenheit, und ernste Angelegenheiten erforderten unerbittliche Fragen.
    »Vielleicht solltet Ihr das nicht«, hatte Kellhus geantwortet. »Ich weiß nicht mal, ob ich es tue.«
    Dieser Widerwille, an die eigenen prophetischen Behauptungen zu glauben, war es gewesen, der seine prekäre Lage gesichert hatte. Wenn Inrithi, die Gerüchte über ihn gehört hatten, vor ihm auf die Knie fielen, war er so verärgert, wie ein mitfühlender Vater eben verärgert war. Wenn sie ihn anflehten, sie zu berühren, als könnte Heil durch die Haut übertragen werden, berührte er sie, aber nur, um sie aufzurichten und dafür zu tadeln, sich erniedrigt zu haben. Indem er behauptete, weniger zu sein als er zu sein schien, brachte er sogar gelehrte Leute wie Proyas und Achamian dazu, zu hoffen oder zu fürchten, er könnte mehr sein.
    Er würde das nie sagen, erst recht nicht lauthals behaupten, aber Umstände schaffen, die genau dies wahr erscheinen lassen würden. Und alle, die sich zu den heimlichen Beobachtern zählten und atemlos fragten: »Wer ist dieser Mann?«, würden zufrieden sein wie nie zuvor. Seine Bedeutung würde ihrer Einsicht entspringen.
    Dann würden sie nicht an ihm zweifeln können, denn das würde ja bedeuten, die eigenen Einsichten für falsch zu halten. Ihn zu verleugnen, hieße, sich selbst zu verleugnen.
    Kellhus würde auf bereiteten Boden treffen.
    So viele Kombinationsmöglichkeiten… Aber nun erkenne ich den Weg, Vater.
    Gelächter klang durch den Garten. Ein junger Vasall aus Galeoth war des Stehens müde geworden und hatte gedacht, die Sitzbank des Kaisers wäre ein guter Platz, um sich etwas auszuruhen. Er saß einige Augenblicke da und bemerkte die Heiterkeit ringsum gar nicht, sondern betrachtete abwechselnd den glasierten Schweinskopf, den er einem Sklaven vom Tablett stibitzt hatte, und den nackten Mann, der zu seinen Füßen angekettet war. Als er schließlich begriff, dass alle über ihn lachten, fand er Gefallen an der Aufmerksamkeit und begann, zum Spaß einige kaiserliche Posen einzunehmen. Die Männer des Stoßzahns brüllten vor Lachen. Schließlich holte Saubon den jungen Mann von der Bank und führte ihn wieder zu seinen Leuten zurück, die ihn laut beklatschten.
    Nur Augenblicke später kündete das Auftauchen einer Reihe kaiserlicher Beamter, die alle die wallenden Gewänder ihres Standes trugen, die Ankunft des Kaisers an. Mit Conphas zur Seite erschien Ikurei Xerius III. gerade in dem Moment, da die Ausgelassenheit nachließ. Seine Miene war eine Mischung aus Wohlwollen und Abneigung. Er setzte sich auf seine Bank und entzündete die Heiterkeit seiner Gäste aufs Neue, als er – den linken Handrücken waagrecht auf den Schoß gelegt und die ausgestellte rechte Handfläche bei gestrecktem Arm in eigentümlich abgezirkelten Bewegungen von oben nach unten vor sich her führend – genau die Pose einnahm, die der junge Galeoth gerade erst nachgeäfft hatte. Kellhus beobachtete, wie der Kaiser vor Zorn erbleichte, als einer seiner Eunuchen ihm den Grund des Gelächters erklärte. In seinen Augen stand Mord, als er den Mann wegtreten ließ, und er rang einen Moment lang um Fassung. So vorgeführt zu werden – das wusste der Dunyain –, war die schlimmste Beleidigung. Auf diese Weise konnte sogar ein Kaiser als Sklave erscheinen – obwohl Kellhus nicht wusste, warum. Schließlich entschied Xerius sich für die Norsirai-Haltung, stützte also die Hände auf die Knie.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis er seinen Zorn unter Kontrolle bekommen hatte. Währenddessen musterte Kellhus die Gesichter seines Gefolges: die aalglatte Überheblichkeit des Kaiserneffen Conphas; die panische Angst der Sklaven, die die unberechenbaren Launen ihres Herrn nur allzu gewohnt waren; die schmallippige Missbilligung der kaiserlichen Berater, die sich im Halbkreis hinter ihrem Mittelpunkt, dem Herrscher, aufgestellt hatten. Und…
    … ein irgendwie

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