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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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vielen Erscheinungsformen des einen göttlichen Kaisers ist, kann ich mit vollem Recht sagen: Das heute sogenannte Kian hat einmal mir gehört.«
    Von den eigenen Worten gerührt und vom Echo erregt, das ihm seine Stimme aus allen Winkeln der Marmorhalle zurücktrug, hielt Xerius zufrieden inne. Seine Besucher würden sich dem mitreißenden Schwung seiner Redekunst kaum entziehen können.
    »Dieser Vertrag, Lord Calmemunis, verpflichtet Euch allein auf die Wahrheit – und ihr sollten alle Männer verpflichtet sein. Und unbestreitbare Wahrheit ist, dass alle Verwaltungssprengel Kians in Wirklichkeit Provinzen des Kaiserreichs Nansur sind. Indem Ihr diesen Vertrag unterzeichnet, verpflichtet Ihr Euch an Eides statt, ein altes Unrecht ungeschehen zu machen. Ihr schwört, alle Länder, die im Heiligen Krieg befreit werden, ihren rechtmäßigen Eigentümern zurückzugeben.«
    »Was ist das?«, fragte Calmemunis und bebte fast vor Argwohn. Das war ungünstig.
    »Wie gesagt – das ist ein Vertrag, in dem Ihr Euch verpflichtet…«
    »Ich hab Euch schon verstanden«, raunzte Calmemunis. »Aber diese Sache ist mir ganz neu! Hat der Tempelvorsteher das abgesegnet? Hat Maithanet das angeordnet?«
    Dieser Dummkopf hatte die Frechheit, ihn zu unterbrechen? Ihn, Ikurei Xerius III. den Kaiser, der dafür sorgen würde, dass das Reich Nansur wieder in seiner alten Größe erstrahlte? Skandal!
    »Meine Generäle haben mir berichtet, dass Ihr mit etwa fünfzehntausend Mann gekommen seid, Herr Pfalzgraf. Ihr erwartet doch sicher nicht, dass ich so viele Menschen umsonst beherberge und verköstige?« Das Wort »verköstigen« fand Xerius köstlich, und er konnte sich einen Zusatz nicht verkneifen: »Auch ein Kaiserreich verträgt nicht endlos viele Kostgänger, mein lieber Freund aus Conriya.«
    »Dieser Vertrag… ist mir ganz neu«, stammelte Calmemunis. »Ich soll schwören, alles von mir eroberte Heidenland werde abgegeben? Und zwar an Euch?«
    Der stämmige Offizier an seiner Seite konnte sich nicht mehr länger beherrschen. »Unterschreibt nichts, Herr Statthalter! Ich wette, dass auch der Tempelvorsteher von diesem Vertrag noch nichts gehört hat.«
    »Wer bist denn du?«, schnauzte Xerius.
    »Krijates Xinemus«, antwortete der Soldat forsch. »Marschall von Attrempus.«
    »Attrempus… Attrempus. Skeaös, sagt mir bitte, warum mir dieser Name so bekannt vorkommt.«
    »Gewiss, gottgleicher Kaiser. Attrempus ist das Pendant zur Festung Atyersus. Der Orden der Mandati hat die Anlage an das Haus Nersei verpachtet. Xinemus ist ein enger Freund von Nersei Proyas…« – der alte Berater hielt einen kurzen Moment inne, um dem Kaiser Zeit zu geben, sich die Bedeutung dieser Tatsache zu vergegenwärtigen – »… und hat ihn – wenn ich nicht irre – als Kind im Schwertkampf unterrichtet.«
    Natürlich. Proyas war nicht so dumm, einen Schwachkopf – noch dazu einen, der so mächtig war wie Calmemunis – allein mit dem Haus Ikurei verhandeln zu lassen. Er hatte ihm eine Amme mitgegeben. Ach, Mutter, dachte Xerius, was haben wir im Gebiet der Drei Meere für einen lausigen Ruf!
    »Marschall«, sagte der Kaiser. »Ihr habt vergessen, wer und wo Ihr seid. Hat Euch mein Protokollchef nicht darüber unterrichtet, dass Ihr zu schweigen habt?«
    Xinemus lachte und schüttelte bedauernd den Kopf. Dann wandte er sich an Calmemunis und sagte: »Man hat uns gewarnt, dass so etwas passieren könnte, Mylord.«
    »Wovor hat man Euch gewarnt, Marschall?«, rief Xerius. Das schlug dem Fass ja wohl den Boden aus!
    »Davor, das Haus Ikurei werde mit dem, was heilig ist, seine Spielchen treiben.«
    »Spielchen?«, rief Calmemunis und fuhr herum, um Xerius anzugehen. »Spielchen mit dem Heiligen Krieg? Ich bin reinen Herzens zu Euch gekommen, Kaiser, der Ihr wie ich Parteigänger des Stoßzahns seid – und Ihr treibt Spielchen?«
    Grabesstille. Der Kaiser von Nansur war doch tatsächlich gerade eines Fehlverhaltens bezichtigt worden!
    »Ich habe Euch gefragt…«, Xerius unterbrach sich, um seiner Stimme die schrillen Obertöne zu nehmen, und setzte neu an, »… ich habe Euch gefragt – und zwar in aller Höflichkeit, Statthalter! –, ob Ihr meinen Vertrag unterzeichnet. Wenn nicht, werdet Ihr mit Euren Männern hungern. So einfach ist das.«
    Calmemunis hatte die Haltung eines Mannes eingenommen, der drauf und dran ist, seine Waffe zu ziehen, und Xerius kämpfte für einen Moment mit dem absurden Drang zu fliehen, obwohl doch alle Waffen der

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