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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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verfinsterte sich. »Nein. Wir haben uns nicht beraten.«
    »Aber ich dachte, Maithanet habe ihn beauftragt, ganz Conriya in den Heiligen Krieg zu führen.«
    »Da seid Ihr falsch informiert.«
    Xerius unterdrückte ein Lachen. Sein Gegenüber war dumm – das war ihm nun klar. Er fragte sich oft, ob der eigentliche Zweck des Jnan nicht gerade darin lag, schnell die Spreu vom Weizen zu trennen. Er jedenfalls wusste nun, dass der Statthalter von Kanampurea Spreu war.
    »Na«, meinte Xerius, »das glaube ich kaum.«
    Einige Männer aus dem Gefolge des Calmemunis blickten bei diesen Worten finster drein, und der stämmige Offizier zur Rechten des Lords öffnete sogar den Mund, um zu protestieren, sagte dann aber doch nichts. Xerius vermutete, die Männer wollten lieber nicht den Eindruck erwecken, ihr Statthalter habe etwas verpasst.
    »Proyas und ich – wir pflegen nicht…« Calmemunis hielt inne, als merkte er mitten im Satz, dass er zu viel gesagt hatte. Sein kleiner Mund blieb vor Verblüffung offen stehen.
    Der Kerl ist ja großartig – ein ausgewachsener Dummkopf!
    Xerius winkte ab, beobachtete, wie der Schatten seiner Hand über die Männer des Statthalters strich, und spürte die warme Sonne auf den Fingern. »Aber Schluss mit Proyas.«
    »Genau«, schnappte Calmemunis.
    Xerius war sicher, Skeaös würde hinterher wieder irgendeinen Grund finden, ihm die Erwähnung des Proyas zum Vorwurf zu machen. Dass zuerst der Statthalter ihn beleidigt hatte, würde in seinen Augen nichts gelten. Skeaös ging es darum, Calmemunis zu verführen, nicht darum, sich mit ihm Wortgefechte zu liefern. Xerius war überzeugt, der undankbare Alte werde allmählich so schlimm wie seine Mutter. Aber egal – schließlich war er hier Kaiser.
    »Die Verpflegung…«, flüsterte Skeaös.
    »Ihr und Eure Truppen werden selbstverständlich verpflegt«, fuhr Xerius fort. »Und um sicherzustellen, dass Ihr auf eine Eurem Rang geziemende Weise untergebracht seid, habe ich Euch eine nahe gelegene Villa zugewiesen, die Euch bestimmt gefallen wird.« Er wandte sich an seinen Obersten Berater. »Skeaös, bitte zeigt dem Statthalter unseren Vertrag.«
    Der alte Mann schnippte mit den Fingern, und hinter einem Vorhang, der sich ganz rechts vor dem Podium befand, kam ein riesiger Eunuch hervor und trottete mit einem Bronzepult auf den Statthalter zu. Ein zweiter Eunuch folgte ihm mit einer großen Pergamentrolle, die ihm wie eine Reliquie in den ungeheuer fetten Armen lag. Als der erste Eunuch das Pult abstellte, wich Calmemunis erstaunt von den Treppenstufen zurück. Der andere musste kurz an dem Schriftstück nesteln – eine Inszenierungspanne, die sicher nicht unbestraft bliebe –, ehe er es mit einer fließenden Bewegung auf der schrägen Bronzefläche entrollen konnte. Dann zogen sich die beiden Eunuchen in eine diskrete Entfernung zurück.
    Der Statthalter aus Conriya blinzelte Xerius fragend an und beugte sich dann vor, um das Dokument zu studieren.
    Ein paar Sekunden vergingen. Schließlich fragte Xerius: »Könnt Ihr überhaupt Scheyisch?«
    Calmemunis funkelte ihn wütend an.
    Ich muss vorsichtiger sein, begriff Xerius. Kaum jemand ist ja schlechter einzuschätzen als einer, der zugleich dumm und empfindlich ist.
    »Lesen kann ich’s schon, aber verstehen tu ich’s nicht.«
    »Das wird nicht reichen«, sagte Xerius und beugte sich vor. »Ihr seid die erste hochgestellte Persönlichkeit, Lord Calmemunis, die das sich sammelnde Heer des Heiligen Kriegs mit ihrer Anwesenheit beehrt. Da ist es doch von größter Wichtigkeit, dass wir einander vollkommen verstehen, findet Ihr nicht?«
    »O doch«, gab der Statthalter zurück, und seine frostige Stimme und Miene verrieten, dass er verzweifelt versuchte, bei all seinem Erstaunen eine gewisse Würde zu bewahren.
    Xerius lächelte. »Gut. Wie Ihr wisst, bekriegt das Kaiserreich Nansur die Fanim, seit die ersten Kianene mit Geheul aus der Wüste geritten kamen. Seit Generationen kämpfen wir nun im Süden mit ihnen – auch wenn wir mitunter obendrein im Norden gegen die Scylvendi antreten müssen – und haben Provinz für Provinz an ihre mit fanatischem Überschwang kämpfenden Krieger verloren. Eumarna, Xerash, selbst Shigek – das waren Verluste, die wir mit dem Tod Hunderttausender junger Männer bezahlt haben. Das ganze Gebiet, das heute Kian heißt, hat einmal meinen kaiserlichen Vorfahren gehört, Herr Statthalter. Da meine gegenwärtige Inkarnation als Ikurei Xerius III. nur eine von

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