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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Delegation beschlagnahmt worden waren. Der Statthalter mochte ein Schwachkopf sein, aber einer von der einschüchternd gut gebauten Sorte. Er sah aus, als könnte er mit jedem Schritt sieben der zwischen ihnen liegenden Treppenstufen nehmen.
    »Dann wollt Ihr uns also keine Verpflegung geben?«, rief Calmemunis. »Sondern Männer des Stoßzahns hungern lassen, um den Heiligen Krieg so zu manipulieren, dass er Euren Interessen dient?«
    Männer des Stoßzahns. Bei diesem Ausdruck hätte Xerius am liebsten ausgespuckt, und doch hatte der plappernde Dummkopf da unten diese Worte so salbungsvoll gesprochen, als handelte es sich um den geheimen Namen Gottes: ein Hinweis mehr auf dumpfen Fanatismus. Auch davor hatte ihn Skeaös gewarnt.
    »Ich spreche nur im Interesse der Wahrheit, Herr Statthalter. Wenn sie mir dient, dann allein, weil ich der Wahrheit diene.« Der Kaiser von Nansur konnte sich ein hämisches Lächeln nicht verkneifen. »Ob Eure Männer hungern oder nicht, hängt von Eurer Entscheidung ab, Lord Calmemunis. Euer…«
    Etwas Warmes und Zähflüssiges traf Xerius an der Wange. Erschrocken schlug er danach und betrachtete den Kot an seinen Fingern. Eine Vorahnung von Verhängnis befiel ihn und schnürte ihm die Kehle zu. War das eine Art Omen?
    Er sah zu den zankenden Spatzen hoch und schrie: »Gaenkelti!«
    Der Hauptmann der Kaiserlichen Garde kam angerannt. Er roch nach Balsam und Leder.
    »Bring die Vögel da oben um!«, befahl Xerius.
    »Sofort, gottgleicher Kaiser?«
    Statt ihm zu antworten, griff der Monarch nach Gaenkeltis dunkelrotem Umhang, den der Hauptmann trug, wie es in Nansur Brauch war, also über die linke Schulter nach vorn geworfen und über der rechten Hüfte geknotet. Xerius wischte sich mit dem Umhang den Vogeldreck von Wange und Fingern.
    Einer seiner Vögel hatte ihn beschmutzt… Was mochte das bedeuten? Er hatte alles gewagt. Alles!
    »Bogenschützen!«, rief Gaenkelti zum Balkonumgang hinauf. »Tötet die Spatzen!«
    Nach einem kurzen Moment der Stille hörte man von oben den scharfen Ton unsichtbarer Bogensehnen.
    »Weg mit euch!«, brüllte Xerius. »Ihr tückischen, undankbaren Viecher!«
    Trotz seines Zorns grinste er über die Verrenkungen, die Calmemunis und sein Gefolge aufführten, um den überall im Saal zu Boden prasselnden Pfeilen auszuweichen. Die meisten hatten ihr Ziel verfehlt, doch an einigen steckten kleine flatternde Wesen, von denen manche noch zappelten wie gerade mit dem Speer gefangene Fische, während andere leblos dalagen.
    Ein aufgespießter Spatz war genau zwischen Xerius und dem Statthalter auf die Treppenstufen geplumpst. Aus einer Laune heraus erhob sich der Kaiser vom Thron, stieg die Stufen bis auf halbe Höhe hinab, bückte sich und hob den Pfeil samt seiner zappelnden Beute auf. Er musterte den Vogel kurz und beobachtete, wie der kleine Körper sich krampfhaft zusammenzog und sich die Federn sträubten. Bist du es gewesen, Kleiner? Wer hat dich geheißen, das zu tun? Wer?
    Ein gewöhnlicher Vogel würde es nie wagen, einen Kaiser zu beleidigen.
    Dann sah Xerius zu Calmemunis hinunter, und eine weitere Laune ritt ihn, eine viel dunklere diesmal. Den Pfeil mit dem Spatz in der ausgestreckten Hand, ging er auf den völlig überraschten Statthalter zu.
    »Nehmt dies«, sagte er ruhig, »als Zeichen meiner Wertschätzung.«
     
     
    Nachdem Kaiser und Statthalter einander beleidigende Worte an den Kopf geworfen hatten, stürmten Calmemunis, Xinemus und ihr Gefolge aus dem Kaiserlichen Audienzsaal und ließen Xerius, dem das Herz bis zum Hals schlug, zurück.
    Der Kaiser dachte an den Vogeldreck und kratzte sich unwillkürlich dort, wo ihn das Tier getroffen hatte. Dann sah er zum Thron und den Silhouetten seiner mit mancherlei poliertem Metall behängten Diener hoch und blinzelte dabei in die untergehende Sonne. Wie aus weiter Ferne nahm er wahr, dass Ngarau, sein Oberhofbeamter, nach einer Schüssel mit warmem Wasser rief. Der Kaiser musste gereinigt werden.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Xerius benommen.
    »Nichts, gottgleicher Kaiser«, antwortete Skeaös. »Wir haben doch fest damit gerechnet, dass sie sich anfangs weigern, den Vertrag zu unterschreiben. Wie das Getreide braucht auch unser Plan Zeit, um zu reifen.«
    Unser Plan, Skeaös? Mein Plan, meinst du wohl!
    Er wollte den unverschämten Kerl mit einem vernichtenden Blick strafen, starrte aber im Gegenlicht den Falschen nieder. »Ich rede weder mit dir noch über den Vertrag.« Um seinem

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