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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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erinnerte sich, dass sie unter manch großem Sommerhimmel im Fluss nach Fischen gespeert hatten. Er erinnerte sich…
    Nein.
    Ob sie ihn wirklich für schwul hielten?
    »Nein!«, knurrte er und wandte sich wieder zu Bannut. Endlich überkam ihn die alte Wut. »Ich bin Cnaiür von Skiötha, der Pferden den Willen und Menschen das Leben nimmt.« Er bohrte sein Schwert ins Gras und packte den erstaunten Mann bei der Kehle. »Keiner hat so viele getötet! Keiner besitzt so viele heilige Narben! Ich bin das Maß von Schande und Ehre – dein Maß!« Sein Onkel würgte, drosch mit blutverschmierten Händen auf ihn ein, erschlaffte dann und lag erdrosselt da. Cnaiür hatte ihn so erstickt, wie man den weiblichen Nachwuchs von Sklaven aus dem Weg räumte.
    Er griff nach seinem Breitschwert, entfernte sich stolpernd von seinem toten Onkel und sah dabei mit leerem Blick in alle Richtungen. Ringsum lagen Leichen und Pferdekadaver. Da und dort sammelten sich kleine Gruppen abgeworfener Krieger – der kümmerliche Rest der von ihm befehligten Utemot – und wichen vor den bis an die Zähne bewaffneten Fußsoldaten des Kaisers zurück. Mancher hatte begriffen, dass die in der Ferne wartenden Stammesbrüder sie ihrem Schicksal überlassen würden, und brüllte ihnen etwas zu. Eine Handvoll Krieger, die sich ihrer Feigheit nicht schämten, ließen ihre Kameraden im Stich und türmten in Richtung der eigenen Linien. Die Übrigen sammelten sich um Cnaiür.
    Das Gebrüll kaiserlicher Offiziere drang durch den Lärm. Die Schlachtreihen der Nansur rückten vor. Cnaiür blieb stehen, streckte den linken Arm vor und hob sein Breitschwert zum Himmel, bis Sonnenstrahlen von der blutbeschmierten Klinge blitzten. Die Fußsoldaten schritten über die Gefallenen hinweg. Auf ihren Schilden prangten Schwarze Sonnen, und in ihren maskenhaften Gesichtern stand grimmige Freude. Cnaiür sah einen Nansur Bannuts Leichnam durchbohren. Jetzt brüllten die Offiziere noch lauter, um den Klang ferner Hörner mit allmählich heiser werdender Stimme zu übertönen, und prompt griffen die ersten drei Schlachtreihen im Laufschritt an.
    Cnaiür kauerte sich rasch nieder und schlug nach den unter Schienbeinschützern steckenden Unterschenkeln des ersten Angreifers, und der stürzte glatt zu Boden. Sofort trat Cnaiür seinen Schild beiseite und bohrte ihm die Klinge knapp unterhalb der Achsel durch die lederne Verbindung zweier Eisenplatten. Großer Jubel. Dann riss er sein Breitschwert aus dem Toten, fuhr herum und schlug mit solcher Wucht nach einem zweiten Soldaten, dass er ihm durch die Rüstung hindurch das Schlüsselbein brach. Cnaiür jauchzte auf und riss seine vernarbten Arme – diese beeindruckenden Zeichen seiner blutigen Vergangenheit – hoch.
    »Wer von euch?«, brüllte er in ihrer Sprache, die ihm seit je seltsam effeminiert erschienen war. »Wer wagt es, mich anzugreifen?«
    Ein dritter Soldat stürzte und erbrach Blut, doch die Übrigen schlossen sofort die Reihen. Ein eiskalt dreinblickender Offizier, der bei jedem Schwertstreich »Stirb!« brüllte, führte sie an, bis Cnaiür ihm mit einem Hieb den halben Unterkiefer wegschlug. Unverzagt rückten andere Soldaten mit Speeren und Schilden näher und drängten ihn zurück. Ein weiterer Offizier stürmte auf ihn zu, ein junger Adliger, dessen Schild das Wappen des Hauses Biaxi trug. Cnaiür konnte die Panik in seinen Augen sehen, als er begriff, dass der massige Scylvendi vor ihm kein gewöhnlicher Sterblicher war. Der Häuptling der Utemot schlug ihm das Kurzschwert aus den zarten Händen, verpasste ihm einen brutalen Tritt und stach ihn nieder. Der Junge stürzte schreiend auf den Rücken und schlug – als wollte er ein Feuer löschen – mit flachen Händen auf das Blut ein, das ihm aus dem Unterleib schoss.
    Die Soldaten behinderten sich nun immer öfter gegenseitig, da sie Cnaiür einerseits zwar erledigen, andererseits aber seinem Schwert ausweichen wollten. »Wo sind eure großen Krieger?«, schrie der Häuptling. »Zeigt mir eure großen Krieger!« In seinen Gliedern tobte der Furor eines alles niedermetzelnden Hasses. Er brachte Schwache wie Starke zur Strecke, kämpfte wie einer, den ein großer Kummer hat wahnsinnig werden lassen, hieb so wuchtig auf Schilde, dass denen, die sie trugen, der Arm brach, und schlug auf seine Gegner ein, bis sie stolperten und Blutfontänen steigen ließen.
    Zwar hatten die vorrückenden Schlachtreihen Cnaiür und seine Stammesbrüder umzingelt, doch die

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