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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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nicht. Was mochte Conphas im Schilde führen?
    Jemand legte ihm die Hand auf die Schulter. Es war Balait, der älteste Bruder seiner zweiten Frau, den er immer wertgeschätzt hatte. Sein Brustpanzer war beschädigt und hing nur noch an einer Schulter. Obwohl ihm von der linken Schläfe Blut strömte, trug er noch immer seinen Dornhelm.
    »Komm, Cnaiür«, keuchte er. »Othkut hat uns Pferde gebracht. Das Schlachtfeld ist ein einziges Durcheinander. Wir müssen uns neu formieren und zuschlagen.«
    »Hier stimmt was nicht, Bala«, gab Cnaiür zurück.
    »Aber die Nansur sind verloren… Ihr Lager steht schon in Flammen.«
    »In der Mitte des Schlachtfelds behaupten sie sich noch.«
    »Umso besser! Die Flanken haben wir gewonnen, und was vom kaiserlichen Heer übrig ist, muss sich ohne allen Schutz auf freier Fläche behaupten! Oknai Einauge ist gerade mit seinen Munuäti aufgebrochen, um Xunnurit aus der Patsche zu helfen! Die Nansur sitzen wie ein Kaninchen in der Falle!«
    »Nein«, entgegnete Cnaiür ausdruckslos und beobachtete, wie sich die Kidruhil auf der anderen Seite des Flusses den Weg über den Hügelkamm freikämpften. »Hier stimmt was nicht! Conphas hat uns die Flanken überlassen, um die Mitte des Schlachtfelds unter Kontrolle zu bekommen…« Das würde erklären, warum die Pulit das kaiserliche Lager so schnell erobern konnten. Conphas hatte zu Beginn der Schlacht seine Kidruhil abgezogen, um sie gegen die Mitte der Scylvendi zu führen. Und er hatte seinen Einheiten falsche Standarten gegeben, um den Gegner glauben zu lassen, er habe seine stärksten Truppen auf den Flanken eingesetzt. Dabei war es dem Oberbefehlshaber von Anfang an um die Mitte gegangen!
    »Vielleicht hat er gedacht, wir würden den Kopf verlieren, wenn er den König der Stämme ausschaltet«, schlug Balait vor.
    »Nein, so dumm ist er nicht… Sieh mal, er hat seine ganze Reiterei in die Mitte geworfen… Er muss irgendeine seltsame Absicht verfolgen.« Cnaiür schob das Kinn vor, ließ die Augen langsam übers Panorama schweifen, musterte eine Schlachtszene nach der anderen und sah das heftige Dreschen der Schwerter und das mörderische Auf und Ab des blutigen Kriegshandwerks. Darunter aber spürte er etwas Unergründliches – als sei das Schlachtfeld zu einer lebenden Zeichenfolge geworden, zu einer Art Code, wie die Fremden ihn benutzten, um Worte in Stein oder auf Pergament zu bannen.
    Was mochte das zu bedeuten haben?
    Auch Balait hatte gedankenverloren dagestanden und meinte nun kopfschüttelnd: »Er ist verloren. Nicht einmal seine Götter können ihn noch retten!«
    Da begriff Cnaiür. Die vom Blutrausch noch in ihm gestaute Hitze wich mit einem Schlag aus seinen Gliedern, und er begann zu frösteln. Er spürte nur noch seine Verletzungen und die unbeschreibliche Leere, die Bannuts Worte in ihm hinterlassen hatten.
    »Wir müssen fliehen.«
    Balait starrte ihn so überrascht wie geringschätzig an. »Was müssen wir?«
    »Die Bogenschützen mit den Chorae… Conphas weiß, dass wir sie im Rücken unserer in der Mitte kämpfenden Krieger aufgestellt haben. Entweder hat er sie besiegt oder vom Schlachtfeld gejagt! So oder so – wir müssen…«
    Dann sah er die ersten verhängnisvollen Lichtblitze. Zu spät!
    »Ordensleute, Bala! Conphas hat Ordensleute dabei!«
    Fast genau in der Mitte des Tals tauchten hinter eilig aufgestellten Schlachtreihen von Fußsoldaten, die Oknai Einauge und seine Munuäti aus dem Feld schlagen sollten, langsam mindestens fünfundzwanzig Gestalten in schwarzer Robe auf und schwebten flach über der Ebene oder stiegen ein gutes Stück zum Himmel empor: Hexenmeister der Kaiserlichen Ordensleute! Einige verstreuten sich übers ganze Tal, während die anderen schon mit ihrer gespenstischen Litanei begonnen hatten, die die Scylvendi und den Boden um sie herum in Flammen aufgehen ließ und die angreifenden Munuäti samt ihrer Pferde in eine Feuerwalze verwandelte.
    Für ein paar lange Sekunden vermochte Cnaiür sich nicht zu rühren. Er sah manchen Umriss von Ross und Reiter inmitten goldener, hoch auflodernder Feuer zusammenstürzen, sah Explosionen, die Männer wie Spreu vergehen ließen, sah Sonnen vom Himmel fallen und in die glühende Erde einschlagen. Ohrenbetäubendes Hexengedonner erschütterte das Tal.
    »Eine Falle«, murmelte Cnaiür. »Die ganze Schlacht war ein Versuch, unsere Chorae zu rauben!«
    Cnaiür aber besaß ein eigenes Chorum – ein Erbstück seines Vaters. Mit tauben Fingern und

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