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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Schilden und Soldaten kam rasend schnell näher. Dass all seine Männer auf einer Höhe mit ihm ritten, gab ihm das Gefühl, den Feinden mit weit ausgestreckten Armen entgegenzusprengen.
    Dann wurde sein Pferd in die Brust getroffen, stürzte und schlitterte übers Steppengras. Cnaiür stieß sich beim Fallen böse die Schienbeine, verrenkte sich die Schulter und stauchte sich den Nacken. Einen Moment lang sah er sich unter den hilflos strampelnden Gliedern seines Pferdes gefangen und zuckte unter einem großen Schatten zusammen, der sich bedrohlich über ihm erhob – doch nichts geschah, und er konnte sich befreien, warf seinen Schild weg, zog das Schwert und versuchte, dem Chaos ringsum Struktur abzugewinnen. Fast in Reichweite keilte ein reiterloses Pferd wild in alle Richtungen aus und traf manchen Soldaten der Nansur. Doch gleich wurde es von Männern niedergemetzelt, die so unverbrüchlich zusammenstanden, als wären sie durch Scharniere verbunden.
    Die Schlachtreihen der Nansur waren weitgehend unversehrt und kämpften mit unerschütterlicher Perfektion. Im Vergleich zu ihnen schienen die Utemot plötzlich undiszipliniert und schwach und wirkten in ihrem ungefärbten Lederzeug und ihren zusammengeplünderten Rüstungen ärmlich. Links und rechts von Cnaiür wurden Stammesbrüder hingemetzelt, und er sah, wie sein Cousin Okkiür mit Haken vom Pferd geholt und am Boden niedergeknüppelt wurde. Einen Moment lang bekam er seinen Neffen Maluti zu Gesicht, der schon am Boden lag und sich vieler nach ihm stechender Schwerter erwehren musste, dabei aber dennoch ein letztes Mal den Kriegsschrei der Utemot ausstieß. Waren wirklich schon so viele seiner Männer gefallen?
    Er warf einen kurzen Blick zurück und erwartete, die zweite Welle Scylvendi-Lanzenreiter herangaloppieren zu sehen, doch bis auf ein einsames Pferd, das zum Fluss hinkte, war die Ebene leer. In der Ferne sah er Männer seines Stammes noch immer dort, wo sie sich vor dem Angriff eingefunden hatten. Statt zu attackieren, standen sie nur beobachtend da. Was ging hier vor?
    Verrat?
    Verrat! Er suchte nach Bannut und sah ihn ganz in der Nähe zusammengerollt daliegen und die Arme vor den Bauch pressen, als wiegte er ein Spielzeug. Ein Nansur stolperte aus dem Gewühl ringsum und zückte sein Kurzschwert, um es Bannut in die Kehle zu rammen. Cnaiür griff sich einen durch ein Gewicht beschwerten Speer vom Boden und schleuderte ihn nach dem Soldaten. Der sah das Geschoss kommen, war aber dumm genug, den Schild zu heben. Der Speer durchschlug die obere Ecke und zog den Schild durch sein Gewicht zu Boden. Cnaiür sprang zu dem Soldaten, packte den Speer aufs Neue und wuchtete Schild und Mann mit aller Kraft vorwärts. Der Fußsoldat taumelte, landete auf allen vieren, zappelte noch verzweifelt, um Cnaiürs gezücktem Breitschwert auszuweichen, und sank dann enthauptet zu Boden.
    Cnaiür griff Bannut beim Kettenhemd und zog ihn aus dem Tumult. Der alte Krieger hustete erbärmlich; Blutblasen traten auf seine Lippen. »Xunnurit hat sich gut an den Gefallen erinnert, den Yursalka ihm erwiesen hat!«, keuchte er.
    Cnaiür musterte Bannut in blankem Schrecken. »Was hast du getan?«
    »Für deinen Tod hab ich gesorgt! Für den Tod eines Vatermörders! Einer heulenden Schwuchtel, die unser Häuptling gewesen ist!«
    Hörner tönten durch den Aufruhr. Für den Bruchteil einer Sekunde sah Cnaiür in Bannuts grauem Gesicht das Antlitz seines Vaters. Doch so war Skiötha nicht gestorben.
    »Ich hab dich damals beobachtet!«, keuchte Bannut. Seine Stimme wurde im Todeskampf immer schwächer. »Ich hab gesehen…« – ein furchtbares Husten schüttelte ihn – »… was vor dreißig Jahren wirklich geschehen ist. Und ich hab es allen erzählt. Jetzt werden die Utemot endlich von deiner Schande befreit!«
    »Du weißt gar nichts!«, rief Cnaiür.
    »Alles weiß ich! Ich hab gesehen, wie du ihn angeschaut hast. Ich weiß, dass er dein Geliebter war!«
    Geliebter?
    Bannuts Augen wurden langsam glasig, als blickte er in eine unendliche Ferne. »Dein Name hat Schande über uns alle gebracht«, röchelte er. »Aber nun wird er ausgelöscht!«
    Cnaiür hatte den Eindruck, dass ihm das Blut in den Adern gefror. Er wandte sich ab und kniff die Lider zusammen, um seine Tränen zu unterdrücken.
    Heulsuse.
    Durch das Gewühl aufeinander einprügelnder und einstechender Gestalten sah er Sakkeruth, einen Freund aus Kindertagen, von seinem sich aufbäumenden Pferd stürzen. Er

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