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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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vor Erschöpfung zitternden Armen zog er die Eisenkugel unter seinem Kettenhemd hervor und umklammerte sie fest.
    Ein Ordensmann kam angesegelt, als böten die Rauch- und Staubwolken seinen Füßen festen Grund. Dann drosselte er sein Tempo und schwebte etwa eine halbe Baumlänge über ihnen. Seine schwarze Seidenrobe blähte sich im Wind, der von den Bergen kam, und die goldene Bordüre seines Gewands wellte sich wie eine Wasserschlange. Grelles Licht blitzte ihm aus Augen und Mund. Ein Pfeilregen verging an seinem kugelförmigen Schutzschild zu Asche. Der Geist eines Drachenkopfs stieg schwerfällig aus seinen Händen auf. Dieser Kopf war voller spiegelglatter Schuppen und hatte Augen, bei denen Cnaiür an mit blutigem Wasser gefüllte Kugeln denken musste.
    Das stattliche Haupt neigte sich zur Erde.
    Cnaiür drehte sich zu Balait und schrie: »Hau ab!«
    Das von Hornplatten umgebene Maul des Drachens öffnete sich und ließ eine Stichflamme durch die Luft fahren.
    Zähne klapperten. Verbrühte Haut warf Blasen und fiel in Fetzen zu Boden. Cnaiür aber spürte nur die Wärme, die Balaits verglühender Umriss abstrahlte, und hörte einen kurzen, schrillen Ton, als dessen Knochen und Eingeweide platzten.
    Dann war die sonnenhelle Feuergischt verschwunden. Verwirrt sah Cnaiür sich inmitten furchtbarer Verheerung. Balait und die anderen Utemot brutzelten noch wie Ferkel am Spieß. Es roch nach Asche und gebratenem Schweinefleisch.
    Alle sind tot. Alle…
    Zu all diesen Missklängen trat ein gewaltiger Schrei, und zwischen Rauchschleiern und fliehenden Scylvendi sah Cnaiür eine Flut von Nansur-Infanteristen den Hügel hoch auf sich zu rennen.
    Eine fremde Stimme flüsterte: »Das Gewogenwerden höret nimmer auf …«
    Cnaiür sprang in wilder Flucht über die Toten und hielt wie die anderen auf das dunkle Band des Flusses zu. Er stolperte über einen im Boden steckenden Pfeil, knallte vornüber gegen ein totes Pferd, rappelte sich an den sonnenwarmen Flanken des Tiers mühsam wieder auf und hetzte taumelnd weiter. Er überholte einen humpelnden jungen Krieger, dem ein Pfeil im Oberschenkel steckte, und kam an einem anderen vorbei, der im Gras kniete und Blut spuckte. Dann galoppierte eine Schar Utemot unter Führung von Yursalka vorüber. Cnaiür rief ihn beim Namen, und obwohl der Mann sich kurz umsah, ritten sie weiter. Cnaiür fluchte in sich hinein und rannte noch schneller. In seinen Ohren rauschte das Blut. Bei jedem Atemzug sog er die Luft tief und gierig ein, und mit jedem Ausatmen flog ihm Spucke vom Mund. Vor sich sah er Hunderte am Ufer, von denen sich manche verzweifelt die Rüstung vom Leib rissen, um schwimmen zu können, während andere Richtung Süden hetzten, wo Stromschnellen flacheres Wasser versprachen. Yursalka und sein Trupp preschten zwischen denen, die durch den Kiyuth schwimmen wollten, hindurch und galoppierten mit den Pferden ins Wasser. Viele Tiere stürzten in der reißenden Strömung, einige aber schafften es, ihre Reiter ans andere Ufer zu tragen. Der Boden stieg an, doch Cnaiür überwand die Entfernung auch weiterhin mit langen, federnden Schritten. Er sprang erneut über ein totes Pferd und stürmte dann durch Stauden dicht an dicht stehender Goldruten, durch die der Wind ging. Zu seiner Rechten sah er eine Kompanie von Kaiserlichen Kidruhil in vollem Galopp die Hänge herabkommen, sich fächerförmig ausbreiten und auf die Fliehenden zuhalten. Er taumelte über die schmale Schwemmebene, stürmte schließlich mitten ins panische Gewühl seiner Landsleute, stieß einige von ihnen beiseite, boxte sich zum schlammigen Ufer vor und schlug sich durchs Unterholz am Fluss.
    Er sah Yursalka durchs Schilf gegenüber preschen und sein klitschnasses Pferd das andere Ufer hochtreiben. Etwa ein Dutzend seiner Stammesbrüder, deren Pferde sehr unruhig waren und nervös tänzelten, warteten dort auf ihn.
    »Utemot!«, brüllte Cnaiür, und irgendwie hörten sie ihn trotz des Lärms ringsum. Zwei zeigten in seine Richtung.
    Doch Yursalka rief ihnen etwas zu und fuchtelte mit der flachen Hand. Mit ausdruckslosem Gesicht rissen die Männer ihre Pferde herum und galoppierten – getrieben von Yursalka – nach Südwesten.
    Cnaiür spuckte den verschwindenden Reitern nach, nahm sein Messer und begann, an den Verschlüssen seines Kettenhemds zu säbeln. Zweimal wäre er beinahe ins Wasser geschubst worden. Alarmrufe, denen das anschwellende Donnern vieler Hufe zusätzliche Dringlichkeit verlieh, klangen

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