Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz
wollte nur noch fort. Lieber an einem gottverlassenen Ort ein neues Leben beginnen, als weiter in Schmach und Schande bei seinem Vater zu leben. Welcher der Soldaten würde ihn denn dann noch für voll nehmen? Und wer weiß, was Ulrich von Hachberg mit ihm anstellte, wenn er erfuhr, dass es noch einmal Hermann gewesen war, der ihre Pläne vereitelt hatte? Er hatte dessen Drohungen nicht vergessen, zumal ihn die erneut gebrochene Nase bei jedem Schritt schmerzhaft daran erinnerte.
Nein, er wollte nur noch fort. Weg von seinem Vater, weg von Ulrich von Hachberg. Wie sehr er die beiden hasste. Ihren Hochmut, ihre Verachtung. Er würde es ihnen schon zeigen – selbst wenn er sie dazu an den Feind verraten müsste. Hermann Etzelroth verzog seinen Mund zu einem Grinsen. Ja, seine Rache würde furchtbar werden. Die beiden würden noch an ihn denken!
Im Laufen griff er nach dem Geldbeutel an seinem Gürtel. Er war wie immer prall gefüllt. Das sollte für die nächste Zeit genügen. Getrieben von Furcht und Rachegedanken, stolperte und hastete der Sohn des Dreieichenhayner Stadtvogts den rettenden Wäldern des Wildbanns entgegen.
Für Margarethe Graychen und ihren Sohn Robert vergingen die Tage im Kerker der Saarburg zäh und monoton. Die einzige Abwechslung gab es in den ersten Tagen nur, wenn einmal am Tag das Essen gebracht wurde. In den übrigen Stunden konnten die Gefangenen nur ihren Gedanken nachhängen. Margarethe Graychen überlegte. Das Erlebnis mit Franz und alles, was danach folgte, würde sie nie vergessen können. Es hatte sich ihr eingebrannt wie ein glühendes Stück Eisen in frisches Holz. Das Gespräch mit Sarenno di San Pietro hatte die Erinnerung daran wieder aufgewühlt.
Seitdem der Inquisitor das Gespräch mit ihr geführt hatte, verhielt sich Robert zurückhaltender gegenüber seiner Mutter, die sich seither fragte, woher dieser Mann nur von Bertholds Gabe wissen konnte. Di San Pietro war mit seiner eiskalten Art ein geheimnisvoller Mensch, aus dem sie nicht schlau wurde. Seitdem sie ihn getroffen und seine Worte vernommen hatte, quälte sie ein unglaublicher Gedanke. Zudem war ihr bewusst, dass ihr und Roberts Leben von ihren Kerkermeistern willkürlich und mit einem Fingerschnippen ausgelöscht werden konnten. Ja, Margarethe fürchtete sich vor der Rückkehr Sarenno di San Pietros, denn sie würde ihm auch dann nicht mehr sagen können. Sie wusste einfach nicht, wo Berthold sich aufhielt. Diese Ungewissheit und Anspannung schwebte bedrohlich über ihr wie eine dunkle Wolke und zerrte an ihren Nerven.
Kurz nachdem Sarenno di San Pietro und die anderen in den Krieg gegen Graf Diether von Ysenburg und dessen Allianz gezogen waren, hatte Margarethe Graychen den Hauptmann der Wachtruppen darum gebeten, dass sie und Robert sich nützlich machen dürften. Zu arbeiten und abgelenkt zu sein war ihr lieber, als sich stundenlang im Kerker das Hirn zermartern zu müssen. Unter strengen Auflagen erhielt sie schließlich die Erlaubnis, sich in der Küche dienstbar zu machen. Robert wurde aufgrund seiner Erfahrungen auf dem heimischen Hof dem Stall zugeteilt, wo er sich um die Pferde und die anderen Tiere kümmerte. Margarethe hatte ihm ins Gewissen geredet, keinen Fluchtversuch zu unternehmen, denn der Hauptmann hatte ihr deutlich gesagt, dass sie in einem solchen Falle beide mit ernsthaften Folgen rechnen müssten.
Gegen die Wachmannschaft hegte Margarethe keinen Groll. Sie und Robert wurden zumindest anständig behandelt und es gab ab und zu sogar ein fast freundschaftliches Wort. Aber weder sie noch Robert machten sich etwas vor. Sie wussten, dass die Soldaten dazu da waren, sie zu bewachen, und dass sie nicht einen Moment zögern würden, sie wieder bei Wasser und Brot in den Turm zu werfen.
Robert litt unter der Situation, denn er war von seiner Mutter enttäuscht. Hätte sie ihm jemals etwas gesagt, wenn dieser verfluchte Sarenno di San Pietro nicht gekommen wäre? Sarenno vom heiligen Stein – was für ein Hohn! Er wusste es nicht. Hätte er es mit Sicherheit sagen können, so wäre seine Enttäuschung nicht so groß gewesen. Andererseits sagte ihm sein Herz aber auch, dass seine Mutter ihn liebte und selbst ein Opfer der Umstände war. War er zunächst noch sehr abweisend ihr gegenüber gewesen, so wurde er mit der Zeit wieder zugänglicher, auch wenn ein Rest tief sitzender Enttäuschung blieb. Doch beide saßen zusammen in Haft, beide hatten die gleichen Sorgen und Ängste und mussten
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