Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz
zusammenhalten. Auch das war Robert klar. Dennoch quälten ihn die Fragen. Er wollte die ganze Wahrheit wissen, er hatte ein Recht darauf.
So ging er eines Tages, nachdem er die Ställe ausgemistet hatte, zu seiner Mutter in die Küche. Margarethe Graychen war gerade dabei, mit zwei Mägden einen schier unermesslichen Berg Pastinaken von der lehmigen Erde zu befreien und zu schälen. Als Robert die Küche betrat, einen suchenden Blick im Gesicht, nickte eine alte Magd, die die Verantwortung über das Personal in der Küche trug, Margarethe Graychen zu und deutete ihr an, dass sie die Arbeit kurz verlassen könne. Mit einer dankbaren Geste wischte sich Roberts Mutter ihre Hände an ihrer derben Leinenschürze sauber und folgte ihrem Sohn, den sie beim Hinausgehen sanft in den Arm nahm, nach draußen.
Die beiden standen auf der Treppe hinter der Küche, die seitlich am Burghaus auf den Hof führte. Zwei Wachen sahen sie und starrten sofort aufmerksam auf ihre Gefangenen, an deren gesichertem Verbleib auf der Burg ihr eigenes Leben hing. Doch sie wandten sich erleichtert ab, als sie sahen, dass sich Mutter und Sohn nebeneinander auf die Treppe setzten und miteinander zu sprechen begannen.
„Was ist, Robert?“
„Ich muss mit dir reden.“
„Was hast du?“
„Mutter, mich lassen die Gedanken nicht los an Bertholds Gabe und alles, was geschehen ist.“
Margarethe Graychen fasste die Hand ihres Sohnes und drückte sie fest. Robert sagte: „Es ist schwer für mich, damit zurechtzukommen, dass du mir nicht vertraut hast. Noch schwerer trifft es mich aber, dass ich niemals erfahren werde, ob du es mir je gesagt hättest, wäre Sarenno di San Pietro nicht erschienen und hätte alles ans Licht gebracht.“
Margarethe Graychen wollte etwas sagen, doch Robert winkte ab. „Nein, Mutter, warte. Ich bin nicht gekommen, um von dir zu hören, dass du es mir irgendwann gesagt hättest. Ich bin gekommen, um zu verstehen! Bitte erzähle mir, was sich zugetragen hat in jener Nacht, als du Berthold geboren hast. Erzähle mir auch, woher dieser päpstliche Legat das alles wissen konnte.“
Margarethe Graychen sah ihren Sohn lange an. In seinen Augen erblickte sie eine Reife, die sie anscheinend lange Zeit übersehen hatte. Wie erwachsen er doch geworden war, dachte sie. Er trug die Züge seines Vaters und redete wie er. Gutherzig, offen, aber direkt. Peter fehlte ihr so sehr. Wo mochte er wohl sein und wie mochte es ihm gehen? Sie seufzte.
„Ich will dir alles sagen. Doch zuvor sollst du wissen, dass mich nichts mehr beschäftigt, als die Frage, woher dieser vom Papst gesandte Lump das alles wissen konnte. Glaube mir, Robert, ich habe keine Ahnung. Ich habe alles wieder und wieder in Gedanken durchgespielt und finde keine Antwort. Am Ende bleibt mir nur ein Schluss. Er ist eigentlich unvorstellbar, grotesk und vielleicht abwegig, aber es ist der einzige, den ich dir bieten kann. Der Legat muss es von Berthold oder Franz selbst erfahren haben. Er muss einen von beiden gekannt haben.“
„Wie sollte er das denn angestellt haben? Das halte ich für gänzlich unmöglich! Und wäre er Berthold je begegnet, dann hätte er ihn doch nie mehr frei gegeben, so sehr, wie er seiner habhaft werden will.“
„Das ist genau die Frage, die ich dir nicht beantworten kann. Ich weiß es nicht, glaube mir. Aber ich hoffe, wir werden es einmal erfahren. Momentan gibt es leider keine andere Erklärung. Dieser Mann muss entweder Berthold oder Franz kennen.“
„Für mich ist das alles ein unerträgliches Rätsel“, warf Robert ein. „Wie hängt alles zusammen? Warum sind wir hier?“
Margarethe Graychen schüttelte gedankenverloren den Kopf. „Ich weiß es nicht. Aber ich bin dir wohl die Geschichte schuldig, wie sich damals alles genau zugetragen hat, als ich Franz zum ersten Mal begegnet bin. Es war im Sommer vor einundzwanzig Jahren an einem warmen Julitag. Ich war gerade sechzehn Jahre alt und auf dem Weg nach Hause zu meinen Eltern. Ich kam vom Markt und hatte gut verkauft an diesem Tag. Alle meine Körbe waren leer und ich wusste, dass meine Mutter mich loben würde.
Plötzlich, wie aus dem Nichts, stand ein Mann vor mir. Er war groß gewachsen und von einem schwer einzuschätzenden Alter. Vielleicht mochte er dreißig oder schon vierzig Jahre alt sein, ich kann es auch heute nicht sagen. Er war sehr einfach gekleidet und doch sah er edel aus, erhaben – und sogar ein wenig Furcht einflößend, aber das störte mich nicht. Denn
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