Schattenfeuer
schlimmsten Fall bin ich kaum mehr als ein Dutzend Meter von dir entfernt.«
»Das ist schon weit genug.«
»Und außerdem sind wir nur für eine Minute voneinander
getrennt.«
»Genau sechzigmal länger, als ich es ertragen kann«, erwiderte Rachael und sah in den Wald zurück. Die Schatten und Schemen schienen ihre kurze Ablenkung genutzt zu haben, um näher heranzukriechen. »Nein, kommt nicht in Frage. Wir bleiben zusammen.«
Ben seufzte. »Mit einer solchen Antwort habe ich bereits gerechnet.« Eine warme Brise wehte über die Lichtung, wirbelte Staub auf und neigte die Blumen hin und her.
Ben schob sich an den Rand der Felsen, hielt das Gewehr in beiden Händen und warf noch einmal einen Blick in Richtung der beiden Fenster, um ganz sicher zu sein, daß sich dort kein Beobachter verbarg.
Die Zikaden zirpten nicht mehr.
Rachael runzelte die Stirn und fragte sich, was die plötzliche Stille zu bedeuten hatte.
Bevor sie ihren Begleiter darauf aufmerksam machen konnte, stürzte Ben hinter den Granitblöcken hervor, rannte los und stürmte über den braunen Rasen.
Von einem Augenblick zum anderen war Rachael völlig sicher, daß sich ihr von hinten irgendein teuflisches Wesen näherte, um sie zu packen und in die Dunkelheit des Waldes zu zerren. Sie sprang auf, hastete fort von den Bäumen und Felsen, lief durch hellen Sonnenschein und erreichte die rückwärtige Veranda, als Ben gerade hinter der Brüstung in die Hocke ging.
Atemlos verharrte sie neben ihm und sah zum Waldrand zurück. Sie konnte es kaum fassen: Niemand verfolgte sie.
Mit einer fließenden Bewegung wandte sich Ben um, war mit einigen raschen Schritten neben der offenstehenden Tür, preßte sich daneben an die Wand und lauschte einige Sekunden lang. Als er keine verdächtigen Geräusche hörte, trat er ein, das Gewehr schußbereit erhoben.
Rachael folgte ihm, und kurz darauf befand sie sich in der Küche, die eine bessere Ausstattung aufwies, als sie erwartet hatte. Auf dem Tisch stand ein Teller mit den Resten eines aus Würstchen und Keksen bestehenden Frühstücks, und auf dem Boden lagen sowohl einige Konservendosen als auch ein leeres Glas Erdnußbutter.
Die Kellertür stand offen. Ben schloß sie leise, nachdem er einige Sekunden lang die Stufen beobachtet hatte, die in eine finstere Tiefe führten.
Rachael verlor keine Zeit, nahm einen Stuhl, klemmte die Rückenlehne unter den Knauf und schuf auf diese Weise eine wirkungsvolle Barriere. Sie konnten den Keller erst nach der Durchsuchung der Zimmer im Erdgeschoß aufsuchen, um die Gefahr auszuschließen, dort eingesperrt zu werden.
Ben nickte zufrieden. Rachael verbarrikadierte auch eine andere Tür, die vermutlich in die Garage führte. Wenn sich Eric dort versteckte,
konnte er natürlich durch das Außentor entkommen, aber bestimmt hörten sie, wenn es geöffnet wurde -und hatten dann noch genug Zeit, um nach draußen zu eilen und den lebenden Toten zu stellen.
Für eine Weile blieben sie still stehen und horchten. Rachael hörte nur das Wispern und Raunen des Windes, der über den Fliegenschirm vor dem Küchenfenster strich.
Ben duckte sich, war mit einigen langen Schritten im Wohnzimmer und sah nach rechts und links, als er die Schwelle passierte. Er bedeutete Rachael, es drohe keine Ge fahr, und daraufhin verließ sie ebenfalls die Küche.
Die vordere Tür der Hütte war ebenfalls geöffnet, wenn auch nicht so weit wie die in der rückwärtigen Front, und auf dem Boden des ultramodern eingerichteten Wohnzimmers lagen mehr als hundert Blätter verstreut. Darüber hinaus bemerkte Rachael zwei kleine Ringbücher und mehrere Aktendeckel.
Neben einem großen Sessel am Fenster entdeckte sie ein mittelgroßes Messer mit gezackter und spitz zulaufender Klinge. Draußen drückte der Wind einige Äste und Zweige beiseite, und Sonnenschein glitzerte, spiegelte sich funkelnd auf der stählernen Schneide wider.
Ben bedachte das Messer mit einem besorgten Blic k und wandte sich dann einer der drei Türen zu, durch die man das Wohnzimmer betreten und verlassen konnte.
Rachael wollte gerade nach einem der Blätter greifen, doch als sich Ben wieder in Bewegung setzte, folgte sie ihm hastig.
Zwei der Türen waren verschlossen, doch diejenige, für die sich Ben entschied, stand einige Zentimeter weit offen. Mit dem Lauf des Gewehrs stieß er sie ganz auf, betrat das Nebenzimmer und sah sich wachsam um.
Rachael blieb dicht vor der Schwelle stehen und nahm somit eine Position ein, von
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