Schattenfeuer
saubere Handschrift des Felsens und gab den Zettel dann an seinen Vorgesetzten weiter.
»Wissen Sie«, sagte der Felsen, »bis vor etwa drei Jahren war meine Sarah ein gutes Mädchen, in jeder Hinsicht eine vorbildliche Tochter. Dann geriet sie unter den Einfluß einer kranken Person, die ihr Drogen gab und Flausen in den Kopf setzte. Damals war sie erst dreizehn, leicht zu beeindrucken und recht hilflos.«
»Mr. Kiel, wir haben keine Zeit für...«
Zwar war Felsen Kiels Blick nach wie vor auf Sharp gerichtet, aber er gab vor, dessen Einwand gar nicht zu hören. »Meine Frau und ich versuchten herauszufinden, wer unsere Tochter zu ihrem Nachteil verändert hatte. Wir vermuteten, es handele sich um einen älteren Jungen in der Schule, aber wir konnten ihn nicht identifizieren. Ein Jahr lang herrschte bei uns zu Hause die Hölle, und eines Tages dann verschwand Sarah. Sie machte sich auf den Weg nach Kalifornien, um das >Leben richtig auszukosten<, wie sie in der kurzen Nachricht schrieb, die sie uns hinterließ. Ja, sie meinte, sie wolle das Leben genießen und bezeichnete uns als schlichte Leute vom Lande, die keine Ahnung von der Welt und komische Anschauungen hätten. Wie zum Beispiel Ehrlichkeit und Selbstachtung, nehme ich an.«
»Mr. Kiel...«
»Wie dem auch sei...« fuhr der Felsen fort. »Kurze Zeit später erfuhr ich endlich, wer meine Tochter verdorben hatte. Ein Lehrer. Unfaßbar, nicht wahr? Ein Lehrer, der doch eigentlich eine Respektperson sein sollte. Der neue, junge Geschichtslehrer. Ich wandte mich an die Schulaufsichtsbehörde und forderte sie auf, ein Ermittlungsverfahren einzu leiten. Die meisten anderen Lehrer stellten sich auf die Seite des Beschuldigten, denn heutzutage scheinen viele von ih nen zu glauben, wir Eltern seien nur dazu da, die Klappe zu halten und mit unseren Steuern ihre Gehälter zu bezahlen.«
»Mr. Kiel«, sagte Sharp fest. »Diese Angelegenheit interessiert uns nicht, und wir...«
»Oh, sie wird Sie interessieren, wenn Sie die ganze Ge schichte kennen«, erwiderte der Felsen. »Das versichere ich Ihnen.«
Peake wußte, daß der Felsen nicht zum weitschweifigen Faseln neigte und seine Schilderungen einen bestimmten Sinn hatten. Er war neugierig darauf zu erfahren, worauf Sarahs Vater hinauswollte.
»Wie ich eben schon andeutete...« meinte Felsen Kiel. »Zwei Drittel des Lehrkörpers und die Hälfte der Stadt waren gegen mich -so als sei ich der Unruhestifter. Es dauerte jedoch nicht lange, bis sich herausstellte, daß der Geschichtslehrer nicht nur Drogen an seine Schüler verkaufte, sondern sich auch noch anderer und weitaus schlimmerer Verfehlungen schuldig gemacht hatte. Als die ganze Sache zu Ende ging, waren praktisch alle Leute froh, ihn loszuwerden. Am Tage nach seiner Entlassung erschien er bei mir auf der Farm, um mir eine Lektion zu erteilen. Er war ein ziemlich großer und kräftig gebauter Bursche, aber er hatte gerade Haschisch oder Marihuana geraucht oder ein noch stärkeres Gift genommen, und deshalb fiel es mir nicht sonderlich schwer, mit ihm fertig zu werden. Zu meinem Leidwesen muß ich eingestehen, daß ich ihm beide Arme brach, was eigentlich gar nicht in meiner Absicht lag.«
Lieber Himmel, dachte Peake. »Doch damit noch nicht genug. Wie sich herausstellte, hatte der junge Geschichtslehrer einen Onkel, der Direktor
der größten Bank unseres Countys war - eben der Bank, von der die Kredite für meine Farm stammten. Nun, jeder Mann, dem es nicht gelingt, persönlichen Groll aus seinen Geschäften herauszuhalten, ist ein Idiot. Der Bankdirektor war ein Schwachkopf, denn er versuchte, mich unter finanziellen Druck zu setzen, um seinen Neffen zu rächen. Im Kleingedruckten des Kreditvertrages glaubte er eine Möglichkeit zu finden, die vorzeitige Tilgung der Hypothekenraten zu verlangen. Ich nahm das natürlich nicht einfach so hin, setzte mich zur Wehr, ging vor Gericht und reichte eine Klage ein. Die rechtlichen Auseinandersetzungen zogen sich in die Länge, und erst vor einigen Tagen fiel die Entscheidung. Die Bank wurde dazu verurteilt, einen hohen Schadenersatz zu leisten. Die Summe genügt, um die Hälfte meiner Schulden zu begleichen.«
Damit endete der Bericht des Felsens, und Peake verstand sofort die Bedeutung der Worte. »Und?« fragte Sharp. »Ich begreife noch immer nicht, was das alles mit mir zu tun hat.«
»Oh, ich glaube, das verstehen Sie durchaus«, hielt ihm der Felsen ruhig entgegen. Er sah Sharp so durchdringend an, daß
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