Schattenfeuer
Nichts.
Die Hintertür. Nur der Schmetterling.
Ein leises Knarren im Keller.
»Benny?« fragte die junge Frau leise.
Keine Antwort. Wahrscheinlich hatte er sie nicht gehört.
Der Durchgang, die Hintertür.
Die Treppe. Noch immer keine Spur von Ben.
»Benny«, wiederholte Rachael. Dann bemerkte sie eine schemenhafte Bewegung. Der Schatten wirkte fremdartig und seltsam, und sie hatte das Gefühl, als setze vor Schreck ihr Herzschlag aus. Unmittelbar darauf aber seufzte sie erleichtert: Ben stieg die Treppe hoch.
»Ich habe nur einen offenen Wandsafe hinter dem Boiler gefunden«, sagte er, als er die Küche erreichte. »Er ist leer. Vielleicht hat er dort die Kopie der Wildcard-Akte aufbewahrt.«
Rachael fühlte sich versucht, die Pistole beiseite zu legen, die Arme um Ben zu schlingen und ihn zu küssen -nur weil er lebend aus dem Keller zurückgekehrt war. Sie wollte ihm zeigen, wie glücklich es sie machte, ihn wiederzusehen. Aber dann dachte sie an die Garage. Vielleicht lauerte Eric dort auf sie.
Wortlos griff die junge Frau nach dem Stuhl der improvisierten Barrikade, schob ihn fort und öffnete die Tür. Ben hielt erneut sein Gewehr bereit.
Nichts rührte sich.
Shadway stand auf der Schwelle, tastete nach dem Schalter und betätigte ihn. Das Licht in der Garage war trüb und matt. Ben drückte auf eine andere Taste, und das breite Tor schwang mit einem lauten Rasseln auf. Helles Sonnenlicht flutete herein.
»Schon besser«, brummte Ben und betrat die Ga rage.
Rachael folgte ihm und sah den schwarzen Mercedes 560 SEL -ein neuerlicher Beweis dafür, daß sich Eric in seiner Hütte aufgehalten hatte.
An der Decke woben Spinnen seidenfeine Netze und warteten auf unvorsichtige Fliegen.
Rachael und Ben gingen vorsichtig um den Wagen herum, blickten durch die Fenster - der Zündschlüssel steckte -und sahen sogar unter dem Fahrzeug nach. Eric blieb verschwunden.
An der hinteren Wand der Garage stand eine breite Werkbank. Darüber hing ein Gestell mit Werkzeugen, und für jedes einzelne Instrument gab es einen ganz bestimmten Platz, gekennzeichnet von den entsprechenden Umrissen. Rachael stellte fest, daß eine Axt fehlte, machte sich aber keine Ge danken darüber, weil sie in erster Linie nach Versteckmöglichkeiten für Eric Ausschau hielt. Schließlich waren sie nicht hier, um eine Inventur durchzuführen.
Nach einigen Minuten stand fest, daß sich niemand in der Garage verbarg. »Ganz offensichtlich ist er hier gewesen«, sagte Ben. Er flüsterte nicht mehr, sprach in einem normalen Tonfall. »Aber ich glaube, inzwischen hat er sich wieder aus dem Staub gemacht.«
»Und der Mercedes?«
»Diese Garage bietet zwei Autos Platz. Vielleicht stand ihm hier noch ein zweites Fahrzeug zur Verfügung, ein Jeep oder ein Geländewagen mit Vierradantrieb. Vielleicht ahnte er, daß die Polizei in Erfahrung bringen könnte, was es mit dem Verschwinden seiner sterblichen Überreste aus dem Leichenschauhaus auf sich hat. Ja, möglicherweise rechnet er mit einer Fahndung nach ihm. Und deshalb setzte er sich mit dem Fahrzeug ab, das hier für ihn bereitstand.«
Rachael starrte auf den schwarzen Mercedes, der wie ein ruhendes Ungetüm aussah. Sie blickte zu den Spinnweben an der Decke hoch, beobachtete den vom Sonnenschein erhellten Kiesweg, der von der Hütte fortführte. Die Stille der Berglandschaft wirkte nun nicht mehr ganz so gespenstisch wie noch vor wenigen Minuten.
»Und wohin fuhr er?« fragte sie.
Ben zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Aber wenn ich die Hütte gründlich durchsuche, finde ich vielleicht irgendeinen Hinweis.«
»Bleibt uns denn noch Zeit genug für eine solche Suche? Ich meine: Als wir Sarah Kiel gestern nacht im Krankenhaus zurückließen, wußte ich nicht, daß die Bundespolizei in diesem Fall ermittelt. Ich bat Sarah darum, nicht über ihre Erlebnisse zu sprechen und niemandem etwas von dieser Hütte zu erzählen. Ich dachte, schlimmstenfalls bekäme sie es mit Erics neugierig gewordenen Geschäftspartnern zu tun, und ich war ziemlich sicher, sie könne ihren Versuchen widerstehen, etwas aus ihr herauszubekommen. Aber bestimmt ist sie nicht in der Lage, den Regierungsvertretern etwas vorzu machen. Außerdem: Wenn sie glaubt, wir seien Hochverräter, mag sie es für richtig halten, alles auszuplaudern. Mit anderen Worten: Wir müssen damit rechnen, daß die Cops früher oder später hier auftauchen.«
»Ja«, bestätigte Ben, den Blick nachdenklich auf den Mercedes
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