Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
auf, während die Bevölkerung auf der Insel Sekken ein berauschendes Fest feierte. Auf den Berggipfeln um den Romsdalsfjord herum würden große Feuer brennen, deren Brandwächter die ganze Nacht darüber wachten, dass sie nicht erloschen. Doch stattdessen waren dort unten gerade ein paar Dutzend Lichter. Es war ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Kelten nicht mehr Herren über den Fjord waren. Seogs Vermutungen schienen sich zu bestätigen.
Das brachte ihn auf eine Idee – er könnte sich selbst als Geist ausgeben! Das würde vielleicht verhindern, dass er verraten wurde. Die Geister waren selbst für ihn, einen Druiden, sehr mysteriöse Geschöpfe. Wie viel mysteriöser und furchteinflößender mussten sie da für einen gewöhnlichen Menschen sein? Seog kratzte sich nervös an der Nase. Wie würden die Geister dazu stehen, wenn er sich als einer der ihren ausgab? Würden sie ihm zürnen? War es ein Frevel? Doch es klang nach einem guten Plan … Würde sich Derrien von solchen Bedenken aufhalten lassen?
Wohl kaum!
Seog leckte sich über die Lippen, während er sich die passenden Worte zurechtlegte. Dann machte er sich auf den Weg.
Ein paar Hunde schlugen an, als er die letzten Meter auf eine der Hütten zuging, eine Rundhütte mit Wänden aus Lehm und einem strohgedeckten Dach. Seog versuchte, die Tiere zu ignorieren. Die hölzerne Eingangstür war flankiert von zwei Rübenfratzen. Aus dem Haus drangen leise Stimmen an sein Ohr. Sie klangen ein wenig beunruhigt, vermutlich wegen der Hunde. Seog ballte die Hand zur Faust und klopfte an.
Die Gespräche verstummten schlagartig. Nichts rührte sich. Das Bellen der Hunde hielt an, die Augen der Kürbisse flackertenboshaft zu ihm auf. Die Menschen in der Hütte schienen zu Stein erstarrt zu sein. Seog klopfte erneut.
»Wer da?«, fragte eine Männerstimme. Sie klang ein wenig gepresst.
Seog bemühte sich, seine Stimme so tief wie möglich klingen zu lassen. »Mein Name ist Kareg. Ich habe eine Botschaft zu überbringen.«
»Wer schickt Euch?«
»Ich wurde durch die Nebel geschickt von Brelivet, einem Eurer besten Krieger, mit einer Nachricht für seinen Bruder Gwezhenneg.«
»Brelivet ist tot!« Die Stimme klang triumphierend, so, als ob sie ihn bei einer Lüge ertappt hätten und nun nicht zu öffnen brauchten.
Seog versuchte seine Stimme noch ein klein wenig tiefer klingen zu lassen. »Ja«, brummte er, »das stimmt. Brelivet ist tot.«
Eine Pause entstand. Die Hunde bellten noch immer, aus dem Himmel fielen die ersten Tropfen eines neuen Regens. Seog wartete geduldig. Schließlich jedoch, nachdem ihm angemessen erscheinende fünf Minuten verstrichen waren, klopfte er erneut, nur eine Spur energischer als vorhin.
»Äh …«, erklang eine Stimme von drinnen, die gleiche Männerstimme wie vorhin. »Wer … wer da?«
»Kareg. Ich habe eine Nachricht zu überbringen.«
Nach einer kurzen Pause kam die Antwort: »Äh, Kareg, ja … Eine Nachricht von Brelivet, sagtet Ihr?«
»Ja.«
»Ähm … Dann geht hinunter zum Ufer. Zur großen Hütte neben den drei Hallen. Ihr findet Gwezhenneg dort.«
»Habt Dank. Wie ist dein Name?«
Erneutes Zögern deutete an, dass der Mann mit dem Gedanken spielte zu lügen. »Gireg«, kam schließlich die Antwort.
»Dagda sei mit dir, Gireg.« Mit der Erwähnung des Totengottes wandte er sich ab und ging den schlammigen Weg weiter hinab, stolz darauf, an das Detail mit dem Gott gedacht zu haben.
»Und mit Euch«, rief ihm die Stimme unsicher hinterher.
»Dessen bin ich mir gewiss.«
Seogs Herz schlug schneller, während er durch das dunkle Dorf ging. Die Rübenfratzen zu den Seiten des Weges schienen ihn zu beobachten. Die Hunde bellten noch immer, doch offenbar war niemand gewillt, dem nachzugehen. Wer würde in der Nacht der Toten wohl draußen sein, dachten sie vermutlich. Durch ein paar Türritzen sah er Licht fallen, aber die meisten der Gebäude waren nicht mehr als düstere Umrisse in der Nacht. Es roch nach Regen, nach übergelaufenen Latrinen und nach Holzfeuern, deren Rauch langsam durch die Strohdächer sickerte und vom Wind verweht wurde.
Schließlich sah er vor sich drei nebeneinander errichtete große Hallen aus der Dunkelheit auftauchen. Ganz früher, vor dem Letzten Germanenkrieg, als Norwegen noch norwegisch gewesen war, hatten sie germanischen Jarlen 8 und ihren engsten Gefolgsleuten gehört, nach dem Krieg dann den Druiden Padern und Karanteq sowie ihren Hauptmännern, zu denen auch Gwezhenneg und
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