Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
Städtchen anging. Sie einfach so zu verlassen hatte nicht dazugehört. »Hat er das Sichere Haus gefunden?«
»Ich weiß weder das eine noch das andere«, erwiderte Tarakir. »Ich weiß nur, dass wir einen Abend lang gesucht haben und dann beim Treffen am nächsten Morgen alleine dastanden. Sie sind nicht aufgetaucht, kein Einziger.« Er zog geräuschvoll hoch und spuckte einen großen blutigen Batzen Rotz in den Straßendreck.
»Hmmm.« Die Nachricht machte Rushai nachdenklich. DieRattenmenschen waren schon immer geheimniskrämerisch gewesen, und dass Mickey als oberste Ratte des Bergener Clans einen ganzen Haufen anderer Aufgaben hatte, als nur die Aufträge der Schatten auszuführen, war Rushai durchaus bewusst. Aber wenn Mickey nun anfing, diesen Aufgaben anstelle von seinen Aufträgen nachzugehen, war das ein Problem. Die einfachste Lösung dafür wäre, sie einfach auszutauschen. Doch Mickey und sein hässlicher Albinogefährte waren die besten Rattenmenschen des Clans. Mit einem minderwertigen Rudel zusammenzuarbeiten war etwas, das Rushai schon aus Prinzip gegen den Strich ging. Also musste eine andere Lösung gefunden werden. Dafür musste er wissen, was dieses plötzliche Verschwinden zu bedeuten hatte. War ihnen etwas passiert? Oder hatten sie etwas gefunden, was sie vor den Schatten verborgen halten wollten? Rushai war aufgefallen, dass der Bergener Clan derzeit im höchsten Maße ungehalten war über die Zusammenarbeit mit den Schatten. Eine gewisse rebellische Stimmung hatte sich breitgemacht. Lord Ashkaruna hatte darauf reagiert, indem er sie seine Verachtung nur umso deutlicher spüren ließ und mit Hochdruck daran arbeitete, sie durch Jungschatten zu ersetzen, die er auf ihre Posten stellte.
Rushai konnte nur den Kopf schütteln bei so viel Dummheit. Ashkaruna streute damit nur Salz in die offene Wunde, die im Verhältnis zwischen den Ratten und den Schatten schwärte. Und so einfach, wie sich Ashkaruna das vorstellte, ließen sich die Ratten nun mal nicht ersetzen. Später vielleicht, wenn die Stämme endgültig besiegt waren, würde man die Clans auslöschen können, doch im Moment waren sie noch immer dringend auf sie angewiesen. Eine Ratte erhielt schon in ihren ersten Monaten zwei oder drei Kräfte, während ein Schatten oftmals Jahre dafür benötigte. Rattenmenschen waren somit eine schnell nachwachsende Ressource, während selbst Jungschatten gehegt und gepflegt werden mussten, bis sie tatsächlich zu etwas zu gebrauchen waren. Dass sie dennoch in Gefechten wie bei den Kämpfen um Trollstigen verheizt wurden, lag vor allem daran, dass es Echosund Lieder bedurfte, um in einem Schatten eine neue Kraft zu erwecken – und die wenigsten Echos ergaben sich aus dem mehr oder weniger langweiligen Alltag.
»Was sollen wir tun?«, fragte Tarakir und riss ihn damit aus seinen Gedanken.
»Wir beide fahren wie geplant nach Otta. Richte Akoshay aus, dass er mit den anderen Jungschatten weiter nach dem Sicheren Haus suchen soll, danach organisierst du uns ein Auto und wartest damit am Hafen. Ich komme nach, sobald ich hier drinnen fertig bin.«
Tarakir nickte. »Was ist mit den Ratten?«
»Darum kümmere ich mich.«
Während sich Tarakir in seine Hütte zurückzog, begann Rushai eine ziellose Wanderung durch die Stadt auf der Suche nach einem Schatten, den er auf die Jagd nach Mickey schicken konnte.
Kêr Bagbeg oder Åndalsnes (Rushai hatte sich noch nicht für einen neuen Namen entschieden) roch nach Neuaufbau. Überall waren Handwerker damit beschäftigt, die Brandschäden auszubessern, die bei der Plünderung entstanden waren. Rushais dickbäuchige Handelsschiffe hatten bereits ganze Bootsladungen an Stroh und Holz geliefert, mit denen nun Dächer neu gedeckt und Dachstühle neu gezimmert werden konnten. Hier fehlte an einem Langhaus die komplette Vorderwand, dort war bis auf einige wenige verkohlte Reste gar nichts mehr übrig von einer Rundhütte, die bei der Plünderung in Flammen aufgegangen war. Überall waren Menschen und arbeiteten fleißig wie die Bienchen. Und überall wussten sie, wer er war. Sie verstummten, sobald sie ihn bemerkten, sie nahmen ihre Mützen ab, sie verbeugten sich, und manche fielen sogar auf die Knie, in der Hoffnung, dadurch seinem Missfallen zu entgehen.
Rushai lächelte grimmig. Dies war der Lohn für dreißig Jahre ausdauernde, kontinuierliche Arbeit. So lange schon war er am Krieg gegen den Romsdalsfjord beteiligt. Viele Jahre vor dem Kriegszug 1989 war er
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