Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
»gilt das als Humor.« Die Männer starrten ihn entgeistert an. »Das bedeutet«, erklärte er, »dass ihr jetzt lachen dürft.« Als sie ihn nur weiter verständnislos ansahen, schrie er sie an: »LOS, LACHT SCHON, IHR HUNDE!!«
Während die Gruppe in klägliches, mühsam erzwungenes Gelächter ausbrach, schlenderte Geshier mit verdrossenem Gesichtsausdruck zu Rushai und murmelte: »Diese Idioten sind völlig nutzlos. Wir sollten sie an die Schweine verfüttern und unsere Aufmerksamkeit richtigen Männern widmen!«
»Wir haben nur die«, erwiderte Rushai. »Die meisten der Besseren haben es vorgezogen, mit dem Schwert in der Hand zu sterben, statt in unsere Kriegsgefangenschaft zu geraten.«
»Eine miserable Welt ist das«, knurrte Geshier. »Gab es denn keine andere? Was wollt Ihr von mir?«
»Mickeys Rudel hatte den Auftrag, in Åndalsnes nach dem Sicheren Haus der Germanen zu fahnden. Jetzt fehlt von ihnen jede Spur. Finde heraus, was mit ihnen passiert ist beziehungsweise wohin sie verschwunden sind. Wenn du dabei in Erfahrung bringst, warum sie es getan haben, wäre das ein angenehmer Bonus.«
Geshier nickte. »Soll ich alleine gehen?«
Rushai schüttelte den Kopf. »In Åndalsnes treibt sich eine Horde Jungschatten herum, die nach dem Sicheren Haus suchen. Nimm dir zwei oder drei von ihnen mit, vielleicht kannst du ihnen etwas beibringen.«
Ein angeekelter Ausdruck huschte über Geshiers Gesicht. »Mit Freuden.«
»Gut.«
Damit wandte sich Rushai ab und kehrte zurück zu seinem Langhaus, wo die Ranger mittlerweile ihr Nachtlager abgebrochenund ein Frühstück vorbereitet hatten. Es gab Eier und Speck, frisches Brot und verschiedene Sorten von Käse, dazu Schweinswürste und gut abgehangenen Schinken. Für die Verhältnisse in der Stadt, die nun über Monate hinweg Hunger gelitten hatte, war es ein kleines Festmahl. Rushai aß schweigend, lauschte den Unterhaltungen seiner Männer, den Klagen, Beschwerden und Diskussionen. Er beobachtete sie und wunderte sich einmal mehr über das unterschiedliche Essverhalten der Schatten. Manche wie zum Beispiel Ser’tòvish stopften in sich hinein, als gäbe es kein Morgen. Andere wie zum Beispiel Zhûl aßen das absolute Minimum dessen, was ein Schatten benötigte, um bei Kräften zu bleiben, und selbst dies mit einem kaum verhohlenen Widerwillen. Rushai selbst verstand weder das eine noch das andere Extrem, er aß in etwa wie ein Mensch, was den zusätzlichen Vorteil brachte, dass er sich so besser tarnen konnte.
Es wurde Zeit aufzubrechen, er hatte einen langen Weg vor sich. Es würde allein schon Stunden dauern, bis er das Außenwelt-Åndalsnes erreicht hatte – mit dem Boot nach Sekken, dort in die Außenwelt, dann mit dem Motorboot zurück in die Stadt. Und dann hatte seine eigentliche Reise nach Otta zum Fürsten Cintorix und seinen Helvetiern noch nicht einmal angefangen. Es war, gelinde gesagt, unpraktisch.
Zu
unpraktisch. So unpraktisch, dass Rushai felsenfest davon überzeugt war, dass es hier in der Umgebung der Stadt ein weiteres Portal geben musste. Seine Männer hatten bereits sehr intensiv gesucht, und es gab auch tatsächlich geradezu Unmengen von winzigen Schreinen und Kultstädten in der Umgebung, die von einzelnen Sippen oder gar Einzelpersonen zu Opferungen und Gebeten benutzt wurden. Aber keiner dieser Orte hatte eine besonders mystische Ausstrahlung, und ganz sicher war keiner davon ein Portal. Die Bevölkerung wusste von nichts, selbst die Folter hatte bisher nur ein paar weitere solcher Minischreine aufgedeckt. Sie tappten im Dunkeln, und das war etwas, was Rushai so überhaupt nicht leiden konnte. Es war schon hart genug, diesen idiotischen Germanenwald in der Nähe zu haben, in dem es angeblich von Portalenund Naturgeistern nur so wimmelte, aber nein, es gab auch noch ein Portal gleich in ihrer Nähe, das sie nicht fanden. Es war ein Damoklesschwert, das über ihm hing und das er gerne abgeschnitten hätte.
Nun – daran war im Moment nichts zu ändern. Ein weiterer Suchtrupp würde heute die Bergwälder durchstreifen, vielleicht würden die mehr herausfinden. In der Zwischenzeit hatte Rushai eine Bootsfahrt zu unternehmen.
Und er liebte ja Bootsfahrten.
MICKEY (4)
Europastraße E14 zwischen Trondheim, Norwegen,
und Östersund, Schweden
Freitag, 05. November 1999
Die Außenwelt
Es war eine Nacht, wie sie ungemütlicher nicht hätte sein können. Ein weiterer Herbststurm fegte über das Land, der Himmel war finster,
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