Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
Sturm der Nacht war nur eine sanfte Brise übrig geblieben, unangenehm nur für die, die keine Winterkleider trugen, und diejenigen, die nach dem gestrigen Tag bereits mit Erkältung und Schnupfen zu kämpfen hatten.
Dies waren nicht wenige, was Seog ziemlich in Sorge versetzte. Es gab kein einziges Kind, das nicht die Nase hochzog, die ganz kleinen wirkten mittlerweile bereits richtig krank. Die Mütter trugen sie stoisch auf dem Rücken oder im Brustgurt, doch mit ihren Augen schienen sie Seog um Hilfe anzuflehen. Aber er konnte nichts für sie tun. Er war kein Heiler, und er konnte auch keinen warmen Unterschlupf herbeizaubern, in dem sie sich alle von den Strapazen erholen konnten. Zum ersten Mal fragte sich Seog, ob er nicht zumindest die Kinder in Ilan Keoded hätte zurücklassen sollen.
Dann jedoch wären auch die Mütter geblieben, und wenn die Mütter geblieben wären, wären die Väter ebenfalls nicht mitgekommen. Dann hätten sie gleich ganz dort bleiben können. Seog seufzte laut und schüttelte den Kopf.
Sie erreichten eine Lichtung, wo sich vor einiger Zeit ein Felssturz den Hang herab ergossen und den Bachlauf nach links verlagert hatte. Auf dem schneebedeckten Schotter hatten bisher nur ein paar vereinzelte Sträucher Fuß fassen können, an denen die Wolfsspur vorbei zur gegenüberliegenden Seite der Lichtung lief.
Wo die Fährte zurück in den Wald führte, stand ein einzelner Mann. Seog blieb kurz stehen, um sich umzusehen. Doch ihm fiel nichts Besonderes auf – keine Nain, die im Hinterhalt lauerten,keine Wölfe, die ihre Zähne fletschten –, und so ging er weiter.
Es war ein großgewachsener Mann, schlank, in einen schmutzigen Umhang gehüllt, den er eng um sich gezogen hatte. Er hatte kurze braune Haare, im Gesicht einen Dreitagebart. Als er sie bemerkte, begann er zu lächeln und winkte ihnen entgegen.
Gwezhenneg?
, wunderte sich Seog. Misstrauisch ließ er seine Hand zum Heft seines Schwerts wandern. Gwezhenneg war tot. Seog konnte sich nicht vorstellen, wie der Hauptmann jenen monströsen Lawinenabgang überlebt haben sollte.
Doch als sie näher kamen, wuchs in ihm immer mehr die Überzeugung, dass es tatsächlich Gwezhenneg war. Seogs letzte Zweifel waren plötzlich zerstreut, als hinter ihm plötzlich eine Frau einen spitzen Schrei von sich gab. Tekla kam an ihm vorbeigerannt, mit fliegenden Röcken und springenden Zöpfen, und rief außer sich: »Gwezhenneg! Gwezhenneg!«
Das Lächeln im Gesicht des Mannes wurde zu einem glücklichen Grinsen. Er breitete die Arme aus und empfing seine Frau mit einer Umarmung.
Seog stapfte langsam weiter. Als er selbst den Waldrand erreichte, lösten sich die beiden voneinander. Teklas Gesicht war tränenüberströmt, während Gwezhenneg ein verschmitztes Lächeln aufgesetzt hatte.
»Herr Seog.«
»Gwezhenneg!« Seog nahm die Hand des verloren geglaubten Hauptmannes fest in die seine und umarmte ihn mit der anderen. »Wir hätten gedacht, dass du tot bist!«
»Das habe ich auch. Und das wäre ich auch, wenn mich die Wölfe nicht gerettet hätten.«
Seog schob ihn von sich, um ihm ins Gesicht zu sehen. Mit in Falten gelegter Stirn fragte er: »Die Wölfe haben dich gerettet?«
»Ja. Sie haben mich aus der Lawine gegraben.«
»Sie haben dich ausgegraben?«
»Ja. Als die Lawine zum Stehen gekommen ist, war ich völlig verschüttet. Nicht mal den kleinen Finger konnte ich bewegen,alleine wäre ich da nicht rausgekommen. Ich habe schon damit gerechnet, da unten ersticken zu müssen, aber dann habe ich über mir ein Scharren gehört und gedacht, dass ihr mich vielleicht gefunden habt. Ich muss ganz schön dumm geguckt haben, als ich bemerkt habe, dass es Wölfe waren.«
»Vom Regen in die Traufe!« Tekla lachte.
»Ja, so ungefähr. Aber sie haben mich nicht angerührt.« Gwezhenneg brummte kurz, bevor er nachdenklich hinzufügte: »Mir dabei geholfen, euch zu finden, allerdings auch nicht. Ich musste nach der Fährte suchen und hoffen, dass es die Spur ist, der ihr folgen würdet.«
»Werde nicht anspruchsvoll!«, schalt ihn seine Frau. »Du kannst froh sein, dass sie dich gerettet haben.«
»Das bin ich.« Leiser fügte der Hauptmann hinzu: »Bei Arduina und Tarannis, das bin ich.«
»Wo hast du den Umhang her?«, wollte Seog wissen.
»Ob Ihr es glaubt oder nicht, den habe ich auch von den Wölfen.«
Seog griff nach dem schmutzigen Stoff, strich mit dem Daumen darüber, roch daran. Er stank nach Schweiß und Rauch, zweifellos von dem
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