Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
bereits Kundschafter gewesen und war damals die ersten Male mit Derriens Männern zusammengestoßen– wenngleich sie beide noch nicht Anführer der jeweiligen Truppen gewesen waren. Nun war es endlich so weit. Eine neue Stadt stand unter seiner Herrschaft, hier konnte er schalten und walten, ohne sich vor irgendwelchen Rattenmenschen oder gar Lord Ashkaruna rechtfertigen zu müssen. Ha!
Der erste Schatten, dem er über den Weg lief, war Geshier. Jokerface machte seinem Namen alle Ehre, indem er sein Gesicht gerade frisch mit Kalkmilch – der einzigen weißen Farbe, die hier in der Innenwelt verfügbar war – weiß gefärbt hatte. Dass Kalkmilch ätzend war, hatte ihn offenbar wenig gestört. Fetzenweise hing die zerstörte Haut an seinen Wangen, doch seine Regeneration hatte den Schaden längst behoben. Der dürre Schatten lehnte an einer Eiche am Dorfplatz und beobachtete mit mürrischem Gesichtsausdruck zwei Schildwälle, die mit wollumwickelten Keulen aufeinander losgingen. Geshier hasste solch »sinnlos stupiden« Aufgaben wie diese hier. Er war noch zu jung und arrogant, um gelernt zu haben, dass Ausbildung im Krieg ein fundamental wichtiger Faktor war.
Rushai blieb am Rande des Platzes stehen und beobachtete, wie der Kampf ein paar Minuten lang hin und her wogte, bis plötzlich von einem Moment auf den anderen der eine Schildwall zusammenbrach. Ein grobschlächtiger, rothaariger Mann hatte seinen Schild zu niedrig gehalten und daraufhin einen Keulenhieb abbekommen. Es war kein wuchtiger Schlag gewesen, unter seinem Helm konnte der Mann kaum Schmerzen erlitten haben, doch sein plötzlicher Schreck hatte ihn zurückgetrieben und den Zusammenhalt der Krieger aufgelöst. Jetzt stoben die Unterlegenen auseinander wie ein aufgescheuchter Taubenschwarm, während die Gewinner ihnen nachsetzten und jeden, dessen sie habhaft werden konnten, mit ihren Keulen traktierten.
Geshier besah sich das Geschehen ein paar Augenblicke lang, bis er sich schließlich die Mühe machte einzugreifen. »Stopp! Stopp, aufhören!«
Die Krieger ließen sich von ihm zusammenrufen und sammelten sich in einer Reihe vor ihm, um sein Urteil zu empfangen.
»Ihr seid ein hoffnungsloser Haufen von Idioten und Volltrotteln«, erklärte das Jokerface. »Lieber würde ich mir die Kehle durchschneiden, als dass ich mich mit euch in einen Schildwall stellen würde! Insbesondere …« Geshier griff nach einem Knüppel, der neben ihm an dem Baum gelehnt hatte, und ging die Reihe entlang. »Insbesondere würde ich mich nicht neben
einen
von euch stellen. Adag, einen Schritt vor!«
Adag war der Rothaarige, den Rushai für den Verantwortlichen für den plötzlichen Kollaps des Schildwalles hielt. Offenbar war das Jokerface der gleichen Meinung.
»Knie dich hin!«, befahl Geshier mit schneidender Stimme.
Der Mann, mittlerweile fast so blass geworden wie der Schatten, folgte hastig der Anweisung.
Geshier baute sich vor dem Mann auf, drehte ihm aber den Rücken zu. »Ihr seid scheiße«, erklärte der Schatten. »Absolute Totalversager. Man sollte euch abstechen wie Schweine, dann würdet ihr uns wenigstens kein Futter mehr kosten. Gebt mir einen Grund, warum ich nicht mit diesem fetten Arsch hier anfangen sollte!«
»Ihr … Ihr könnt das nicht tun!«, rief ein Mann auf der rechten Seite stammelnd.
»Ach, und warum nicht?«, erwiderte Geshier scharf. »Gebt mir einen guten Grund, weshalb ich das nicht tun kann!«
Doch darauf wagte niemand etwas zu erwidern.
»Wie, ihr wisst keine Antwort? Ach so, ihr erwartet von
mir
eine Antwort … Ja, die könnt ihr gerne haben!« Damit wirbelte er herum, blitzschnell, mit einer Geschwindigkeit, die ihm nur die Kraft der Schnelligkeit verleihen konnte. Der Knüppel traf Adags Gesicht mit einem peitschenartigen Knall, der Mann wurde zur Seite umgerissen, niedergemäht wie mit einer Sense. »Das ist meine Antwort. Sehr wohl kann ich das tun! Ich kann tun und lassen, was ich will! Ich bin ein Schatten! Los, steh auf, du fetter Saftsack!« Während sich Adag mühevoll aufrichtete, sein Gesicht blutüberströmt, tobte Geshier weiter. »Aber ihr werdet lernen, dass ich kein Unmensch bin. Wenn ihr gute Arbeitleistet, werdet ihr von mir belohnt. Mich muss nur fürchten, wer versagt. Nicht wahr, Adag?« Damit verpasste er dem Mann einen zweiten Hieb mit dem Knüppel, bei weitem nicht so schnell, aber beinahe ebenso hart, der ihn diesmal in die andere Richtung zu Boden warf. »In meinen Kreisen«, fuhr Geshier fort,
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