Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
Trupp von unbekannten Angreifern bedrängt wurde. Mickey hatte keine Lust darauf, selbst in einen Hinterhalt zu geraten und nicht darauf vorbereitet zu sein.
Die Tiergestalt schied von vorneherein aus: Der nächtliche Wald barg einfach zu viele Gefahren für eine Ratte. Mickey wusste, dass er selbst mit Rattensinnen
und
aktivierten Wahrnehmungskräften keine Chance hatte, eine heranfliegende Eule zu bemerken.
Doch auch in seiner Kampfgestalt war er nervös und unruhig. Obwohl die Kraft der verstärkten Sinne aktiviert war und er in der Dunkelheit ausreichend sehen konnte, um seinen Weg zu finden, fühlte er sich bedroht und beobachtet. Er war eine Stadtratte und den Wald nicht gewöhnt. Ihm fehlten die rechten Winkel der Straßen und Gebäude, die Orientierung des städtischen Schachbrettmusters. Hier reihten sich Bäume an noch mehr Bäume, die sich mit jedem Schritt zueinander verschoben und einmal hier, einmal dort den Blick in die Tiefe des Waldes ermöglichten. Dazu kamen das ungebändigte Unterholz, die Bodenwellenund Hügel, oft auch noch verdeckt durch davorliegendes Gebüsch. Der Boden war uneben und von Wurzeln durchsetzt, zum Teil felsig und fast überall mit feuchtem, moderndem Laub bedeckt, das sich unter Mickeys Beinen fremdartig anfühlte.
Das Wetter tat das seine, ihnen zusätzliches Unbehagen zu bereiten: Der Sturm füllte die Luft an mit umhertrudelnden Blättern, ließ die Baumwipfel rauschen und Äste knacken. In der Ferne grollte der Donner eines nahenden Gewitters. Wie Mickey in diesem Chaos jemals einen Feind rechtzeitig entdecken wollte, war ihm ein Rätsel. Es half ihm auch nicht, sich dabei einzubilden, dass der Gegner – wer auch immer es war – wahrscheinlich noch weniger sah als er selbst, schließlich hatten auch die anderen Parteien Mittel und Wege, in der Dunkelheit zu sehen. Polizisten des norwegischen Deltakommandos besaßen Nachtsichtgeräte, ihre schwedischen Kollegen vermutlich ebenfalls. Hexer konnten ähnliche Kräfte besitzen wie Mickey. Und Rattenmenschen –
Über die Möglichkeit, dass es sich bei den Gegnern um Rattenmenschen handeln könnte, wollte Mickey gar nicht weiter nachdenken.
Immer wieder waren Schüsse zu hören, meist vereinzelt und sporadisch, dann wieder plötzlich geballt und intensiv. Aus der Ferne klang es wie ein Kleinkrieg, den Irish da mit dem unbekannten Feind führte. Die Ausrüstung dafür besaß er jedenfalls: Er stattete regelmäßig einen Teil der Leute, die er illegal nach Norwegen schaffte, mit Sturmgewehren aus, um sie als Wachmänner zu verwenden. Bisher hatte er sie nicht gebraucht, doch offenbar machte sich heute jene Vorsichtsmaßnahme bezahlt.
Mickeys Rudelbrüder schwiegen. Armstrong hatte vermutlich nichts zu sagen, doch Mickey hätte einiges dafür gegeben, einen Blick in Spiders Hirn werfen zu dürfen. Dass der Verstand des Albinos auf Hochtouren lief, stand außer Frage. Shakas Neuigkeiten mussten ihn hinter seiner coolen Fassade genauso aufgewühlt haben wie Mickey selbst.
Nicht jetzt
, schalt er sich. Er brauchte seine Konzentration für diese Mission.
Sie kamen nur langsam voran, langsamer, als ihm lieb war. Seine Angst war wie ein schwerer Klotz an seinem Bein und hielt ihn zurück, Angst vor dem Wald, Angst vor dem unbekannten Feind, Angst vor dem, was passieren würde, wenn sie tatsächlich eine neue Queen fanden. Er schwitzte, trotz der kalten Nacht und des Windes. Seine Nervosität war groß, so groß und präsent, dass sie schon beinahe greifbar wurde.
Armstrong und Spider erging es nicht besser, er spürte ihre Unruhe durch die empathische Verbindung. Spider wirkte verwirrt und aus der Bahn geworfen, und selbst Armstrong war aufgewühlt. Seine Freude über die möglicherweise bevorstehende Auseinandersetzung war überlagert von Angst und Unsicherheit. Für den Moment trauten sie seiner Führung blind. Mickey musste trotz der Anspannung kurz schmunzeln – es gab nichts, was mehr zusammenschweißte als gemeinsam durchgestandene Angst.
Es war etwa eine Viertelstunde später, als sie auf einem schmalen Waldpfad die ersten Leichen fanden, Männer in schäbigen Kleidern und langen Mänteln, bewaffnet mit AK-47 Sturmgewehren, gestorben an Schussverletzungen. Während sich Mickeys Rudelratten über ihre Ausrüstung hermachten, nahm er selbst seine Menschgestalt an, kramte seine Jacke aus dem Rucksack und warf sie sich über. Eilig lief er den Pfad entlang auf der Suche nach einem Überlebenden. Stattdessen fand er noch
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