Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
entschieden, weil er den Mann nicht gut kannte. Gwezhenneg und Gautrek hatte er bei ihrer Flucht in den Germanenwald in Aktion erlebt, doch Tavoc war ihm ein unbeschriebenes Blatt. Der Einsatz heute sollte dabei helfen, ihn näher kennenzulernen.
Die Ruinen des Hauses, in dem früher der Landhüter-Druide Kongar gelebt hatte, waren von tiefem Schnee begraben. Von hier aus führte ein ausgetretener Pfad den Hügel hinauf zum Heiligen Hain der Bretonen, wo sich auch die Pforte befand. Die Freien hatten behauptet, dass die Fomorer-Krieger, die hier Wache gehalten hatten, mittlerweile vom Geist vertrieben waren. Seog konnte nur hoffen, dass dies stimmte. Zwar hatten zwei von Tavocs Männern an der Schlacht von Espeland teilgenommen, aber von den sieben anderen waren drei eigentlich zu jung zum Kämpfen, die vier übrigen waren Frauen, die sich bereiterklärt hatten, für ihre Heimat zu den Waffen zu greifen. Für sie wäre es eine echte Bewährungsprobe, wenn es heute Nacht zu einem Kampf käme.
Nachdem sie ein paar Fackeln ausgeteilt hatten, gingen sie los.Tavoc übernahm die Spitze, eine eindrucksvolle Gestalt mit einem gehörnten Schmuckhelm auf seinem Kopf, den er bei einem Überfall auf eine Nain-Patrouille erobert hatte. Ein anderer hätte wahrscheinlich versucht, die Hörner zu entfernen, die im Kampf nur ein unnötiges Risiko darstellten, doch Tavoc schienen sie zu gefallen. Seog hielt sich gleich hinter ihm, gefolgt vom Rest seiner Leute. Den Abschluss bildeten die beiden anderen Espeland-Veteranen, zwei Fischer mit Schilden und Speeren.
Fichtenwald flankierte den Pfad wie eine schwarze Wand. Die Finsternis war trotz der Fackeln undurchdringlich. Vorsichtshalber gab Seog das Kommando nach hinten durch, die Waffen fest in Händen zu halten und stets kampfbereit zu sein. Wenn sie hier überfallen würden, würde ihnen kaum ein Moment der Vorbereitung bleiben. Es war kalt und still. Der Wind säuselte in den Baumkronen, ihre Schritte quietschten im Schnee. Angst und Anspannung hielten die Krieger ruhig.
Langsam rückten sie weiter auf dem Pfad vor. An einer Stelle blockierten mehrere Baumstämme den Weg, die sie mühsam überklettern mussten. Es waren belastende Momente, in denen sie sich noch verwundbarer und angreifbarer fühlten als zuvor. Längst war sich Seog nicht mehr sicher, dass er das Richtige tat. Er hätte mehr Informationen sammeln sollen, wie es die Silberne Regel vorschrieb, doch die hatte er ignoriert, weil er schnellstmöglich Murdoch treffen wollte. Der erfahrene Waldläufer hatte bestimmt tausend Antworten auf Seogs Fragen und würde ihm vielleicht sogar die Führung der Rebellen abnehmen.
Der fünfte Krieger stieg gerade durch die Äste der gestürzten Fichte, als eine der Frauen plötzlich mit ungewohnt hoher Stimme meinte: »Seid mal still!« Als nicht gleich alle darauf reagierten, wiederholte Tavoc: »Ruhe!«
Angestrengt lauschten sie in die Finsternis. Aus dem Wald war das laute Brechen von Ästen zu hören, das Rascheln von Gestrüpp. Etwas bewegte sich dort. Etwas, das keine Rücksicht auf Heimlichkeit zu nehmen schien.
»Wer ist dort?«, rief Seog in die Dunkelheit.
Es kam keine Antwort. Stattdessen näherte sich das Geräusch weiter.
»Schildwall!«, befahl Seog.
Hastig reihten sie sich aneinander und schlugen ihre Schildränder zusammen, während die, die noch immer auf der anderen Seite der Bäume waren, umso eiliger hinterherkletterten. Seog versuchte, die Finsternis mit seinen Augen zu durchdringen, doch es war ein aussichtsloses Unterfangen. Seine Fingerspitzen begannen zu kribbeln, als Magie durch seinen Körper strömte. Der Nadelschuss bereitete sich vor, Seogs einzige Kraft, die es ihm ermöglichte, Tausende kleiner Fichtennadeln aus seinen Händen zu schießen und einen Gegner damit zu spicken. Es war ein prickelndes Gefühl, das er seit dem Kampf an der Furt nicht mehr gehabt hatte. Offenbar war die Kraft zurückgekehrt.
»Es kommt näher!«, murmelte einer der Männer.
»Ruhe!«, zischte Tavoc.
Der Mann hörte nicht auf ihn. »Verdammt großes Gespenst, wenn es so viel Krach macht!«
»Gespenster machen keinen Krach!«, mischte sich ein anderer ein. »Gespenster sind leise wie der Tod!«
»Vielleicht ist es eine Ablenkung!«
Seog warf einen hastigen Blick nach hinten, wo die letzten seiner Krieger gerade über den Stamm kletterten. Was war, wenn es tatsächlich eine Ablenkung war? Zum ersten Mal bereute er, Gautrek nicht mitgenommen zu haben. Der Germane war
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