Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
griff danach. Mit einer schnellen Drehbewegung löste er den Knauf vom Dolch. Auf ein kurzes Schütteln fiel ein kleines Stück zusammengerolltes Pergament aus dem Heft. Langsam rollte er es auseinander. Sein Blick fiel auf eine krakelige, kaum leserliche Schrift. Es kostete ihn Mühe, die einzelnen Buchstaben zu entziffern.
Doch es war lesbar. Ganz deutlich stand dort ein einziger Name:
Kêr Bagbeg.
Langsam stahl sich ein Grinsen auf Rushais Gesicht. Es war mit Abstand die beste Nachricht des Tages.
WOLFGANG/KEELIN (2)
Sicheres Haus der Fallschirmjäger, Sunndalsøra, Norwegen
Dienstag, 07. Dezember 1999
Die Außenwelt
Die Fallschirmjäger im Sicheren Haus waren ziemlich überrascht gewesen, als Wolfgang plötzlich vor ihrer Tür stand. Er war dort ein höchst unregelmäßiger Gast, hatte den Kontakt größtenteils über Telefon gehalten. Dass er nun unangekündigt bei ihnen auftauchte, noch dazu mit zwei Gästen, grenzte für die Männer schon an eine kleine Sensation.
Nachdem der Gesichtstauscher verschwunden war, um über die Funkstation seinen mysteriösen Kontakt zu erreichen, und sich Keelin für eine heiße Dusche in das Badezimmer verabschiedet hatte, blieb Wolfgang mit Bauer und Tönnes allein zurück. Bauer war der frühere Kompaniefeldwebel der Einheit, in der Gudrun im Kosovo gedient hatte, Tönnes einer ihrer Gruppenführer. Seitdem die Männer für Wolfgang arbeiteten, hatten die beiden mehr oder weniger gemeinsam das Kommando übernommen. Bauer war ein großer, hagerer Mann um die vierzig, der seine braunen, von ersten grauen Strähnen durchsetzten Haare halblang trug, mit Lesebrille um den Hals und gepflegtem Vollbart. Er beschäftigte sich mit Organisation und Logistik, hielt Kontakte zu Waffenlieferanten und Informanten und kümmerte sich darum, dass die verschworene kleine Truppe weiterhin einsatzbereit blieb. Tönnes, zehn Jahre jünger, war ein vierschrötiger Kerl mit mehrfach gebrochener Nase, einem wild wuchernden Vollbart und kahl rasiertem Schädel. Er war kleiner als Bauer, doch immer noch ein Stück größer als Wolfgang. Er war derjenige, der die Soldaten drillte und auf Einsätzen anführte.
»Kaffee?«, fragte Tönnes, während sich Bauer und Wolfgang an den Küchentisch setzten. Es war ein kleiner Raum, mit hölzerner Küchenzeile und einem an die Wand gerückten Tisch mit drei Stühlen. Die Lampe darüber hing so tief, dass sie den Rest des Raums kaum zu erleuchten vermochte.
»Gerne«, erwiderte Wolfgang. Er hatte zwar den Mund voller Kaugummi, aber das hatte ihn noch nie beim Trinken gestört. Sie unterhielten sich auf Deutsch – eine Wohltat, nachdem Wolfgang die letzten Wochen mit Keelin fast nur Englisch und Keltisch gesprochen hatte.
»Milch und Zucker?«
»Schwarz wie die Nacht, heiß wie die Liebe und süß wie die Sünde.«
Tönnes hatte offenbar das Zitat erkannt und grinste. »Klingt gut!«
»Und, alles klar hier im Haus?«, wollte Wolfgang wissen. Müde lehnte er sich zurück.
Bauer nickte. »Nichts Besonderes. Neulich hat irgendjemand eines unserer Fenster mit einer Bierflasche eingeworfen. Darin war eine Nachricht für uns: ›Raus mit deutschen Nazischweinen!‹ Aber das war’s auch schon.«
»Die Polizei«, erinnerte ihn Tönnes.
»Ach ja, richtig«, fügte Bauer hinzu. »Die Polizei beobachtet uns immer noch.«
Wolfgang nickte. Es war kein Wunder, dass das Sichere Haus von den Behörden überwacht wurde. Die Fallschirmjäger tarnten sich als faschistischer Haufen, der von Norwegen aus den Umsturz der deutschen Regierung plante, eine völlig bescheuerte Idee, die ihnen nur deshalb abgenommen wurde, weil man Neonazis grundsätzlich alles zutraute. Es war eine der wenigen Möglichkeiten, hier in der norwegischen Pampa ein Haus voller deutscher Männer zu erklären, die regelmäßig zur Leibesertüchtigung Gebirgsmärsche durchführten und in den Wäldern Gefechtssituationen simulierten. Es hatte dazu geführt, dass die ehemaligen Fallschirmjäger in Sunndalsøra nicht sonderlich beliebt waren,dafür aber größtenteils in Ruhe gelassen wurden – vom allmonatlichen Fensterwurf irgendwelcher linksgerichteter Jugendlicher einmal abgesehen.
Langsam füllte der Kaffee den Raum an mit einem intensiven Aroma, das Wolfgang das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ. Vom Nebenraum hörte er die zackigen Kommandos eines Soldaten, der dort offenbar eine Trainingsstunde hielt. In regelmäßigen Abständen riefen die Soldaten »HO!«.
»Und bei
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