Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
gegeben hatte.
»Und was wird diesmal passieren, wenn Ihr das Buch nicht behalten dürft? Werdet Ihr noch einmal versuchen, mich umzubringen?«
Die anderen tauschten erschrocken Blicke aus. Wolfgang, der auf seinem Stuhl heruntergerutscht war und eine halbliegende Position eingenommen hatte, setzte sich abrupt auf. Tönnes’ Hand, gerade eben noch um ein Wasserglas gelegt, verschwand unter dem Tisch.
Uirolec zog seine buschigen Augenbrauen zusammen. »Ich habe niemals versucht, Euch umzubringen, Keelin.«
»So?« Erneut sah Keelin die Bilder jener Nacht vor Augen. Sie hörte das Krachen des Baseballschlägers, der Brynndrech den Schädel eingeschlagen hatte, sah ihn stürzen, sah die Männer auf ihn eintreten, die einzige Beleuchtung im strömenden Regen das Licht aus dem Wohnzimmerfenster und aus ein paar fallengelassenen Taschenlampen. »Wer hat uns dann in Callanish diese Meute auf den Hals gehetzt? Soll das etwa ein Zufall gewesen sein?« Sie erinnerte sich, wie Brynndrech plötzlich wieder aufgestanden war, einen der Männer von hinten packte und ihm seinen Dolch über den Hals zog. Sie sah den Mann blutend zusammenbrechen und sich im Todeskampf am Boden winden, während Brynndrech weiter unter den Männern wütete. Es waren gewöhnliche Menschen gewesen, die die Pikten ihnen an den Hals gehetzt hatten. Die Pikten hatten ihren Tod in Kauf genommen, um an das Buch zu kommen. Keelin ballte ihre Hände zu Fäusten, während sie Uirolec angiftete: »Sie haben uns angegriffen, Uirolec, Eure Männer haben uns angegriffen!« Der Pikte setzte zu einer Antwort an, doch Keelin ließ ihn nicht zu Wort kommen: »Was wäre wohl passiert, wenn sie uns überwältigt hätten? Ihr hättet uns das Buch abgenommen, so viel steht fest. Und dann? Hättet Ihr uns laufen lassen, Brynndrech und mich, und riskiert, dass wir die Geschichte Eures Raubes auf der großen Ratsversammlung in alle Welt hinausposaunt hätten? Wollt Ihrmir das wirklich weismachen? Haltet Ihr mich für so dumm? Ihr seid ein Mörder, Uirolec, Ihr und Eure Piktenbrüder! Ein Mörder und Lügner!!« Ahnenstimmen waren in ihrem Hinterkopf laut geworden und schrien nun Zeter und Mordio. Am liebsten wäre sie dem Mann an den Hals gegangen, doch es gelang ihr geradeso, sich zurückzuhalten. Zitternd und noch immer mit geballten Fäusten stand sie da, ihren Blick starr auf Uirolecs braune Augen gerichtet.
Der ließ sich lange Zeit für eine Antwort. Die anderen schwiegen, eine eisige Stille hatte sich über den Raum gelegt. Die Männer waren angespannt, Keelin vermutete, dass ein einziges Anzeichen physischer Gewalt ausreichen würde, sie aufspringen und zur Tat schreiten zu lassen.
Schließlich schlug Uirolec die Augen nieder. »Es war nicht mein Wille«, murmelte er. »Das ist meine einzige Entschuldigung, Keelin. Es war nicht mein Wille.«
»Was meint Ihr damit?«, blaffte sie zornig. »Wollt Ihr Euch damit herausreden, dass Ihr ja nur der unschuldige Mitläufer wart?«
Kurz blitzte Zorn in Uirolecs Augen auf, doch er sah sofort wieder zu Boden. »Nein, Keelin. Ich war nicht einmal ein Mitläufer. Erinnert Euch! Ich habe befohlen, Euch gehen zu lassen.«
»So? Warum haben sie mich dann nicht gehen lassen?«
»Weil sie meinem Befehl nicht gefolgt waren.«
»Und warum habt Ihr sie nicht zurückgepfiffen, als Ihr das bemerkt habt?«
»Das habe ich. Aber ich habe nicht sofort davon gehört. Wie Ihr vielleicht bemerkt habt, ist Tiernan unser Auge und Ohr in der Außenwelt. Es hat Tage gedauert, bis die Neuigkeit bei mir angekommen ist.«
»Das könnt Ihr jetzt sehr leicht behaupten!«
»Es ist wahr«, mischte sich zu ihrer Überraschung Alistair ins Wort. Er hatte ein neues Gesicht angenommen, seitdem sie den Helikopter verlassen hatten, er wirkte nun älter mit seinen grauen Haaren und den Falten, und deutlich weiser. »Es ist wahr. Ich wardort, nachdem dir auf der Versammlung im Glen Affric das Buch gestohlen worden war. Derrien hat mich geschickt, um danach Ausschau zu halten, es konnte ja niemand wissen, dass es bei den Helvetiern gelandet war.«
»Derrien?« Wolfgang wandte ruckartig seinen Kopf zu ihm. »Was habt Ihr mit Derrien zu tun?«
»Ich habe von Zeit zu Zeit für ihn gearbeitet«, erwiderte Alistair ungerührt.
»Zum Beispiel auf Trollstigen, was?« Wolfgang versuchte, den Kommentar beiläufig klingen zu lassen. Er scheiterte. Seine Emotionen waren in seinem Gesicht zu lesen wie auf einem Blatt Papier. Hass kämpfte mit plötzlicher Trauer
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